Wenn Papas Elternzeit vorbei ist – ein Erfahrungsbericht

Jetzt sitze ich hier in der Agentur und tippe um 8:30 Uhr diesen Text. OK, ich gebe es zu. Es ist bereits 9 Uhr. Seit neun Tagen bin ich jetzt wieder im Schoß der Kolchose und es fühlt sich an, als sei ich nie weg gewesen. Zwei Monate Elternzeit sind an mir vorbeigezogen, wie Usain Bold an einem zugedopten russischen Sprinter. Generell habe ich keine Probleme damit, etwas abzuschließen, mich von etwas zu verabschieden. Das kann ich eigentlich ganz gut, weil ich ungern in der Vergangenheit lebe. Mir geht es also blendend! Meinen Zwischenbericht habt ihr sicherlich bereits gelesen, wenn nicht, wisst ihr was ihr jetzt zu tun habt. Hier ist mein Resümee der wohl schönsten Zeit meines Vaterdaseins.

Was machst du? Elternzeit?

Aller Anfang ist gewöhnungsbedürftig. In den ersten Tagen meiner Elternzeit hatte ich ein unwohles Gefühl, wenn ich meine Zeit zu Hause kommunizierte. Zehn Jahre berufliches Durchpowern gehen nicht spurlos an einem vorbei. Vor allem vor flüchtig bekannten Männern aus der Kita hatte ich zunächst kein selbstverständliches Wording. Stranges Gefühl. Ganz schlimm war das mit griechischen Bekannten. Die meisten verstanden gar nicht, was ich meinte. Für sie sprach ich eine nicht übermittelte Sprache aus der Kreidezeit. Sie konnten sich gar nicht vorstellen, dass ein Mann Elternzeit nimmt. Die leeren Blicke in ihren Gesichtern werde ich nie vergessen. Das ist so, als ob sich ein Investment-Banker mit einer Sozialpädagogin über intra- und interreligiöse Dialogkompetenz unterhält. Das ist keine andere Liga, das ist eine andere Sportart!

„Was machst du? Elternzeit? Wer hat dir das denn beigebracht?“

Das war wohl das prägendste Gespräch, das ich hatte. Aber immerhin, es gab eine Frage. Bei vielen anderen Männern mit Zuwanderungsgeschichte südlich der Alpen, stieß mein Vaterding auf grenzdebile Gleichgültigkeit.

Diese Erfahrungen machten mir Mut, weil ich diese Männer auch ein Stück weit bemitleidete. Sie hatten nie erfahren, wie es ist, mit den Kindern eine enge Beziehung abseits von Urlauben und Freizeit zu erleben. Sie kamen nicht mal auf die Idee, weil die tradierten patriarchalischen Werte sowas nicht zuließen. Das ist einerseits gut für sie, weil sie keine Gewissenbisse haben und nichts vermissen, andererseits bleibt vieles im Verborgenen. Ich zumindest wurde sicherer und lebte meine Elternzeit ab diesem Zeitpunkt in vollen Zügen aus. Weil ich eine Erfahrung mehr auf meine Strichliste gepackt habe.

Die Selbstverständlichkeit der deutschen Mittelschicht  

Ganz anders verhielt es sich bei den deutschen Kita-Eltern (Neubaugebiet – bürgerliche Mitte). Völlig selbstverständlich wirkte meine Vaterzeit. Die anderen Mütter sprachen mich schnell mit „Hallo Mutti“ an. Das ist zwar nicht politisch korrekt, ich kann aber gut darüber lachen.

Es kam sogar vor, dass ich mich 1-2 Mal rechtfertigen musste, warum ich NUR die obligatorischen zwei Monate genommen habe. Eine völlig andere Welt. Sicher, im Nachhinein hätte ich gerne noch einige Monate mehr draufgepackt. Ich habe bereits im Podcast erwähnt, dass das sehr schwer ist. Kölner Mieten sind teuer und meine Frau kann uns nicht alleine durchbringen (leider). Das ist für viele eine Ausrede, für mich ist es gelebte Realität. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ ist ein Lebenskonzept für Kinderlose oder Menschen, die zwei Stunden pro Tag im Stau stehen.

Selbstbestimmung ist der Wesenskern von Freiheit

Genauso so ist es. Meinen Kleinen habe ich im ersten Monat eingewöhnt. Er hat es mir sehr einfach gemacht. Ich glaube, dass er bis heute, nach knapp drei Monaten Kita, beim Abgeben nur einmal kurz geweint hat. Für mich war die Eingewöhnung also keinesfalls ein Arschloch, wie es unserer früherer Kollege DaddyDavud beschrieben hatte. Mittags hat er fast immer zwei Stunden geschlafen, meistens habe ich gleich mit ihm ein Nickerchen gemacht. Ach, war das schön. Wir sind gemeinsam aufgewacht, haben etwas gegessen und sind dann noch kurz raus. Die Selbstbestimmtheit war das, was mir am besten gefallen hat. Du, nur du allein bist Herr deiner Zeit. Das war ich gar nicht mehr gewohnt und es ist ein echter Luxus. Keine Termine, keine Pflichtveranstaltungen, nur du und deine Family. Dafür will ich mich auch bei PapaDoc und Lempi bedanken, die meine Arbeit übernommen haben, ohne zu murren und sich zu beklagen. Nur so war es möglich, das Handy für Stunden nicht zu streicheln.

Jetzt ist es 9:38 Uhr, ja gut 9:50 Uhr, und ich muss anfangen einen Redaktionsplan für einen Kunden fertig zu machen. Das hat mit Selbstbestimmung nicht viel zu tun, aber mit Disziplin und Pflichtgefühl. Das braucht man schließlich in beiden Welten.

Bis bald, euer Babyvater

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LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

Eine Antwort

  1. Hallo, sehr informativ wie die Meinungen da auseinander gehen. Ich werde auch beim ersten Kind (Geburt 05.07.18) Elternzeit nehmen. Ein Teil meiner Kollegen hat auch wie ein Auto geschaut, als ich das Thema angesprochen habe. Schön das endlich auch Männer über Ihr Papa-Sein bloggen.
    VG und guten Start in das Jahr 2018

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