„Ohne unsere Mütter würde unser komplettes Agentursystem zusammenbrechen.“

Kürzlich bin ich über einen w&v-Artikel zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestolpert. An sich nichts Verwunderliches. In der Kommunikations- und Marketingbranche ist diese Vereinbarkeitsgeschichte meistens eine lose Floskel. Ich habe schon die Hand zum Abwinken gehoben, aber die Subheadline streichelte meinen präfrontalen Cortex. Umso mehr war ich beeindruckt, was der Artikel, bzw. was der Interviewte, Markus Hanauer, zu sagen hatte. „Erfolg verglücklichen“? „Null-Wachstums-Strategie“? Häää? Das sind Worte, die in unserer Branche eher Augenrollen verursachen als Beifall. Markus ist Geschäftsführer der Erlanger Healthcare-Agentur Spirit Link Medical und der Erfolg gibt ihm Recht. Bereits zum vierten Mal in Folge ist seine Agentur als einer der 100 besten Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet worden. Der w&v-Artikel kam mir dennoch suspekt vor. Zu positiv, kaum Herausforderungen und locker aus der Hose. Ist es wirklich so einfach? Das konnte nicht sein! Ich bemerkte, dass eine alte Superkollegin (Supersuper) in der Agentur arbeitet. Ich wurde neugierig und wollte ein Interview. (Danke für den Kontakt, Wencke! :-))

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Das ist Markus Hanauer

In dem w&v-Artikel sprichst du davon, dass 100% aller Väter in deinem Unternehmen Elternzeit nehmen. Jetzt mal ehrlich: Sind das die üblichen zwei Monate oder gibt es männliche Angestellte, die sich länger um ihren Nachwuchs kümmern?
Die meisten männlichen Mitarbeiter bei uns nehmen zwei Monate Elternzeit, was für die Teams einiges an Planung und Organisation erfordert. In Einzelfällen sind männliche Mitarbeiter auch bis zu sieben Monaten in Elternzeit oder reduzieren ihre Wochenarbeitszeit für ein Jahr von 40 auf 30 Stunden.

Wie sieht es aus mit den weiblichen Mitarbeiterinnen? Welche Rolle spielen Mütter in der Agentur?
Bei uns ist rund die Hälfte der Mitarbeiter weiblich, und die meisten haben Kinder. Ohne unsere Mütter würde also unser komplettes Agentursystem zusammenbrechen. Viele Mütter arbeiten bei uns in Teilzeitmodellen – das zieht sich von der Führungsebene angefangen durch die gesamte Agentur.

Viele Experten und selbst Eltern behaupten, dass eine zu lange Babypause und Teilzeitarbeit die Karriere behindern. Kinder und Karriere seien nicht miteinander vereinbar. Die Rede ist vom „Karriere-Killer Teilzeit“. Was hältst du von dieser These?
Teilzeit ist aus meiner Sicht zwar kein Karriere-Killer, aber schon eine Karriere-Bremse. Früher war es undenkbar, Führungspositionen in Teilzeit zu besetzen. Das hat sich zwar geändert, aber man muss hier einfach ehrlich und realistisch sein: Teilzeit fördert keine Karrieren, auch wenn es heute mehr Flexibilität und Möglichkeiten gibt.

Gerade in unserem Business ist die ständige Erreichbarkeit für Kunden oftmals eine Grundvoraussetzung. Die Agenturbranche gilt als „Verheizungsindustrie“. Enge Timings, Full-Service-Dienstleistungen und Spontan-Pitches – wie passt das mit deiner „Erfolg verglücklichen“-Maxime zusammen?
Wir arbeiten stark daran, für unsere Kunden ein langfristiger Premiumpartner und nicht die Feuerwehr zu sein. Dabei spielen uns natürlich die Rahmenbedingungen in der Healthcare-Branche in die Karten, denn hier zählen Qualität und Zuverlässigkeit mehr als Geschwindigkeit. Um unsere Kultur glaubwürdig zu leben, verzichten wir bewusst auf Kunden, die nicht zu uns passen, und damit auch auf Wachstum – was aus rein wirtschaftlicher Sicht manchmal auch weh tut. Außerdem investieren wir viel in unsere Mitarbeiter und Strukturen, um bestmögliche Voraussetzung zu schaffen, Erfolg zu verglücklichen.

Selbst wir als mittelgroße Kommunikationsagentur können lange Auszeiten unserer Mitarbeiter kaum kompensieren. Die Mehrarbeit lastet dann auf den Schultern von Kollegen, die ebenfalls Familie haben. Wie schwer ist es, diese Mehrbelastung im Arbeitsalltag auszubalancieren? Was sind eure größten Herausforderungen im Berufsalltag?
Bei langen Auszeiten muss die Mehrbelastung von den Kollegen getragen werden, das ist bei uns genauso. Wir versuchen das mit freien Mitarbeitern zu kompensieren, aber eine Grundlast bleibt immer spürbar. Was wir tun, sind die Ziele und Erwartungen an die Situation anzupassen und mit unseren Kunden offen darüber zu sprechen. Dabei ist es wirklich erstaunlich, wie viele Kunden diese offene Art der Kommunikation schätzen und wie sich so der Druck für die Teams reduzieren lässt. Unsere größte Herausforderung im Alltag ist immer, die Balance zu finden zwischen unserem Anspruch, Kunden und Mitarbeiter zufrieden zu stellen, und dabei wirtschaftlich zu sein.

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Was rätst du Eltern, die beruflich vorankommen wollen?
Ich denke, dass man zuerst einmal für sich selbst herausfinden sollte, was man eigentlich will – losgelöst von gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen. Dann hilft es, die Dinge realistisch einzuordnen und zu priorisieren und – das ist für mich entscheidend – offen und ehrlich mit Vorgesetzten und auch Kollegen darüber zu sprechen, was geht und was nicht geht. So vermeidet man unrealistische und enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten und kann konstruktiv einen gemeinsamen Weg finden.

Und umgekehrt: Warum sollten Unternehmensverantwortliche auf aktive Mütter und Väter setzen?
Ganz einfach weil es das Normalste auf der Welt ist. Wenn ein Unternehmen es nicht schafft, aktive Mütter und Väter zu beschäftigen, dann läuft etwas ganz Grundsätzliches schief. Gleichzeitig empfinde ich die zusätzliche Portion Gelassenheit und die neuen Blickwinkel, die viele Eltern in den Berufsalltag einbringen, als riesige Bereicherung für unsere Agentur.

Lieben Dank für das Gespräch Markus!

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LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

2 Antworten

  1. 25. April 2017

    […] Unser Interview mit Markus Hanauer: „Ohne unsere Mütter würde unser komplettes Agentursystem zusammenbrechen.“ […]

  2. 10. November 2020

    […] unserer Familie und Bezugspunkt meiner Kinder. Es sind wertvolle Monate/Jahre verloren gegangen. Ganz zu schweigen von der Vereinbarkeit. Ich finde es einfach schade, dass meine Eltern mittlerweile so wenig mit unserem Leben zu tun […]

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