Nicht alles, was krabbelt, ist ein Vergleich
Am Anfang kannst du ihre Blicke noch nicht einordnen, wenn du mit deinem Kind den Spielplatz betrittst. Du bist irritiert, denn sie schauen dein Kind nicht an, sie scannen es: Sein Outfit, seine körperliche Entwicklung, seinen Sprachschatz. Die anderen. Sie sind erbarmungslos. Sie verwickeln dich in ein Gespräch, um das Alter deines Kinds heraus zu bekommen. Und dann geht es los:
„Was? Die ist schon neun Monate alt und krabbelt noch nicht? Das ging bei uns ja schon mit sechs Monaten los!“
„Aha.“
„Also eure ist ja ganz schön dünn. Unserer hat wenigstens was zuzusetzen, wenn er mal krank wird.“
„Soso.“
„Wie habt Ihr das denn hinbekommen, dass sie schon so gut spricht? Unsere hinkt da ja leider ganz schön hinterher.“
„Öhm.“
Die Quintessenz dieses Beitrags lässt sich ziemlich kurz zusammenfassen:
Diese ewigen Vergleiche gehen mir gehörig auf den Wecker!
Alles wird ständig gegenübergestellt: Körpermaße, Fähigkeiten, Entwicklungsschübe. Anstatt sich an der Einzigartigkeit ihres Kinds zu erfreuen, mutieren Durchschnittspaare zu Eiskunstlaufeltern, die aus dem körperlichen Fortschritt ihres Nachwuchses einen sportlichen Wettstreit machen. Über den ständigen Optimierungswahn von Eltern haben wir uns ja bereits ausgelassen. Besonders perfide wird es, wenn sie ihr eigenes Kind in aller Öffentlichkeit als Nichtskönner bloßstellen:
„Na Paul, siehst Du, wie schön das kleine Mädchen Tierlaute nachmachen kann? Nimm dir mal ein Beispiel!“
Ich möchte ihnen zurufen, dass es weder eine erstrebenswerte Leistung, noch ihr Verdienst ist, dass sich ihr Spross zwei Wochen früher als das Nachbarskind um die eigene Achse drehen kann. Und dass es eigentlich auch niemanden interessiert. Das traue ich mich dann aber meistens doch nicht. Und deswegen schreibe ich es hier mal ins Internet – vergleichsweise allgemein, aber vielleicht fühlen sich ja die richtigen angesprochen.
Wie wahr. Ich hasse das auch. Wenn bei mir mal jemand so ein Gespräch aufkommen lassen wollte, habe ich immer geantwortet: „Nö. Krabbeln kann er noch nicht, aber dafür spricht er schon fließend Mandarin!“