Sturmfrei in drei Phasen

 

Bild_Janni_3Stufen - Ich Bin Dein Vater - Vaterblog

Verdammte Axt!! Schatz, ich brauche eine Auszeit. Kannst Du nicht die Kleine nehmen und bei Deiner Mutter pennen? Ich brauche etwas Zeit für mich, sonst raste ich aus!

Wer kennt das nicht? 

Sturmfrei – einen ganzen Tag, eine ganze Nacht und den Vormittag des Folgetags. Und ja, ich meine wirklich sturmfrei, nicht „Du musst dich heute nicht ums Kind kümmern“: einfach mal wieder die ganze Wohnung für sich alleine haben, laut Musik hören, Filme schauen und bis tief in die Nacht Videospiele zocken; Freunde treffen; Ausrasten; Pizza direkt aus dem Karton futtern, von alleine aufwachen und anschließend noch mindestens zwei Stunden bis zum Aufstehen warten.

Doch kaum fängt das väterliche Sabbatical an, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl: Ich vermisse dieses kleine Etwas!

Im Grunde kann ich drei Phasen meiner inneren Disposition ausmachen:

Phase 1: LET’S GET TOTALLY FUUUUU*****!!

Ein Gefühl der Freiheit übermannt mich (im wahrsten Sinne des Wortes). Ich weiß nicht, was ich zuerst in der Hand halte. Nein, nicht das was Ihr meint. Ihr Ferkel! Ich spreche von einem Bier, einer Fernbedienung oder einem X-Box Pad! Es spielt auch keine Rolle. Nachdem ich kurz raus bin, um (mehr) Bier zu kaufen, komme ich wieder zurück in die Wohnung. Die Tür ist abgeschlossen. Was für ein Gefühl. Keiner ist zu Hause. Das letzte Mal, dass ich das erleben durfte, war im 12. Semester meines Studiums, und soweit ich mich erinnern kann, war ich damals auch ziemlich glücklich. Kurz danach zog ich mit meiner Frau zusammen…

Die Welt liegt mir zu Füßen. Ich habe alle Möglichkeiten. Egal, ob ich einen Tag oder eine Woche alleine zu Hause bin. Sky’s the limit. Ich mache aus Prinzip alles an, was einen Stecker hat. Fernsehen, dabei iPad zocken und das wichtigste: endlich bekommen meine Lautsprecher was sie verdienen: Gangster Rap, Goa Progressive Minimal Tech Trance und Metalschmerzen vom Feinsten. Die dreijährige YoNaLu- und Zuckowski-Phase, ist vorbei. Meine Boxen sind aus dem grenzdebilen Winterschlaf erwacht. Es werde Licht! 

Phase 2: Und jetzt?

So, meine Stimme ist heißer, ich bin angetrunken und ich habe mir alle Bundesliga-Classic-Videos vom 1. FC Köln angeschaut. Ich bin bereit für mehr! Ich fange an mit telefonischen Party-Sell In Maßnahmen. Die ersten Anrufe starte ich voller Enthusiasmus: „Hey Alter! Wo gehts heute hin? Egal wo, wann und was! Ich bin dabei!“. „Ich bin heute auf dem Geburtstag meiner Schwägerin eingeladen. Da muss ich hin…“, antwortet mein erster „Party“-Kontakt. Der Zweite will mir doch tatsächlich weismachen, dass er heute Kinderdienst hat. WTF! Ausgerechnet er. Der männliche Paris Hilton ist sesshaft geworden. Was für eine Memme! Ein anderer schwadroniert davon, dass er bereits seinen freien Tag in diesem Monat hatte. Wenn ich sowas schön höre!!! Muss man jetzt auch privat Urlaub beantragen oder was? Dieses ganze Theater zieht sich bis in den Abend rein. Und jetzt? Nach jedem erfolglosem Telefonat sinkt auch meine Motivation, etwas zu unternehmen. Ich werde müde und sentimental. Ich habe nicht nur zu wenige Studenten als Freunde (muss ich ändern), sondern auch eine Menge Zeit alleine zu Hause. Zeit genug, um zur dritten Phase meiner sturmfreien Zeit zu kommen.

Phase 3: Erkenntnis und Trauer

Eins ist klar: Nach so einem Tag voller Alkohol, Stromverbrauch, lauter Musik und der Erkenntnis, dass keiner meiner Freunde so locker drauf ist wie ich (bezogen auf den besagten Tag, und nur den), wird mir bewusst, dass ich mehr auf die Bilder meines Kindes starre als in die Glotze. Der Alkoholpegel gibt sein übriges. Ich vermisse meine Tochter und ein bisschen auch meine Frau. Ich denke an die schönen Momente. Das Dauergebrülle in den ersten Monaten klammer ich dezent aus. Natürlich. Diese verdammte selektive Wahrnehmung! Ich bin traurig und gehe nach einer weiteren Folge von Time Lifes Reihe „Die wundervolle Welt der Kriege“ zusammengekauert ins Bett. Am nächsten Morgen hole ich meine kleine Familie ab. Ausschlafen will ich nicht mehr. Adieu Sturmfrei! Bis zum nächsten Mal!

 

Die Idee zum Blogpost stammt von daddyfiles.com

 

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

6 Antworten

  1. Patrick sagt:

    Ein großartiger und ziemlich treffender Artikel – ich habe mich total wiedererkannt und musste sehr lachen 😀 Eigentlich komisch, dass das bei den meisten Vätern gleich ist.

    Viele Grüße
    Patrick

  2. Rike sagt:

    So genial! Geteilt, geliked, Bildschirm gekutscht! Du bist unglaublich! DANKE 😀

  3. Danke für diesen wundervollen Beitrag. Ich habe sehr gelacht und konnte alles nachvollziehen, hatte ich selbst erst vor kurzem eine Auszeit zuhause.
    Viele Grüße. Tina

  1. 1. September 2014

    […] einer der Autoren von “Ich bin Dein Vater”, hat sich sehr auf zwei sturmfreie Tage ohne Frau und Kind gefreut, in denen er mal wieder so richtig ungestört wie ein Junggeselle leben kann: Laut Musik hören, […]

  2. 17. September 2014

    […] Wohnung danach behagte mir gestern ebenso wenig wie sie mir heute gefällt. Da bin ich ganz bei Babyvater und seinen drei Phasen der sturmfreien Zeit. Nur, dass ich die ersten beiden Stufen übersprungen habe. Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Die […]

  3. 15. September 2015

    […] neun bis 15:30 habe ich sturmfrei! Die ersten beiden Tage habe ich es sogar genossen. Soweit man es überhaupt kann. Aber man kann […]

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