Morgenstund hat Stress im Mund

Ich Bin Dein Vater KitaDer Winterurlaub ist zu Ende. Das Skelett des nadelnden Tannenbaums wurde eingeäschert, die Geschenke ausgepackt und die letzten Uranstäbe der Winterbeleuchtung mit dem Castro-Transporter nach Gorleben verschickt. Dösen, Kuscheln bis das Kind nach Gnade schreit – es ist vorbei. Nun heißt es wieder Vollgas geben.

Der feuchte Traum überlasteter Eltern ist nun Wirklichkeit: die Kita! Zeitig aufwachen, Kleidung rauslegen, Kind pflegen, Kind jagen, Kind drohen, Kind erpressen, um pünktlich zum Kita-Frühstück vor Ort zu sein. Es riecht nach Tannenbaum!

Im Ernst. Da meine Frau letzte Woche sehr früh zur Arbeit musste, übernahm ich den Morgendienst. Im Halbschlaf wurden mir stets wichtige Instruktionen mitgeteilt:

Kannst Du der Erzieherin sagen, dass sie Babytochter die warme Hose überziehen soll, wenn sie rausgehen? Die denkt nicht dran!

Denkst Du an die Stoppersocken?

Pack die grüne Mütze ein. Die blaue ist zu kalt.

Denk an die Kochsalzlösung. Ich glaube, dass Sie krank wird.

Völlig zugedröhnt vom nächtlichen Delirium höre ich mit einem halben Ohr zu, um es 10 Sekunden später natürlich zu vergessen. Grün oder Blau? Welche Hose? Man, da war doch was…

Ganz ehrlich: Seitdem ich die Kleine regelmäßig in die Kita bringe, sind unsere Morgenstunden weniger von Stress denn von Entspannung geprägt. Sicher, ich vergesse die Hälfte, aber wir sind auch ohne Stress und Schuhe (kleiner Scherz) immer pünktlich angekommen. Ich lasse die Kleine einfach machen. Brenzlige Situationen wie Haare kämmen und morgendliche Pflege, löse ich mit einem hervorragenden Ablenkungsmanöver: Einen halben Schoko-Keks und eine Tanz-Performance à la Zauberer Blaubart aus Schwanensee. Zugegeben, ersteres ist vielleicht nicht mega-gesund, dafür aber extrem effektiv. Bevor der Keks verputzt ist, hat sie eine Fönfrisur vom allerfeinsten! Streitereien gibt es auch kaum. Es bleibt sogar Zeit für einen Plausch am Küchentisch samt (gesundem) Frühstück.

Ich will ja nicht das unwitzige, mariobarthische Männer-Frauen-Klischee aufwärmen, aber es ist schon so, dass meine Frau an alles denken muss. Natürlich zum Schutze unserer Kleinen. Ich habe da ein anderes Credo. Mut zur Lücke macht uns alle etwas widerstandsfähiger. Natürlich bleibt das nicht immer ohne Konsequenzen. Eben hat mich meine Frau angerufen, dass unsere liebe Tochter krank ist. Das ist natürlich schlimm, dennoch ist es ein integraler Bestandteil eines Kita-Kindes: Sie kränkeln etwas öfters als Heimscheißer. Während ich das hier schreibe verspüre ich ebenfalls ein leichtes Jucken im rechten Nasenloch. Ich habe eben keine Lust IMMER an ALLES zu denken. Ich mag einfach keinen Stress. Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als meinen Alltag von Ängsten diktieren zu lassen. Ich zitiere da immer gerne meinen Kinderarzt: „Ein Kind wird krank, wenn man es zu warm anzieht. Nicht umgekehrt!“ Ich mag diesen Typen!

Es dauert nicht mehr lange und schon beginnen die nächsten Ferien. Dann wird der Tannenbaum-Platzhalter mit ausgestopften Häschen dekoriert. Die Kita wird schließen und wir wieder abhängen bis das Kind nach frischer Bergluft schnappt!

P.S.: Klar, am Ende des Tages habe ich natürlich die Kochsalzlösung und die warme Hose vergessen. (Sorry, Frau!)

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

11 Antworten

  1. Ein schönes Plädoyer für mehr Zen am Morgen. Ich habe irgendwann mal beschlossen – nachdem ich einen Artikel dazu gelesen habe -, morgens nicht mehr das Wort „beeilen“ zu benutzen. Man muss dann zwar vielleicht ein paar Minuten früher aufstehen, aber es funktioniert (meistens).

  2. agnes sagt:

    „Kind jagen, Kind drohen, Kind erpressen, um pünktlich zum Kita-Frühstück vor Ort zu sein.“

    Ich hau mich weg 😀

  3. Jule Ma via Facebook sagt:

    Jetzt kenne ich auch dein Geheimnis Tino

  4. tom sagt:

    Spassig wird das ganze, wenn man Kind 1 in der Kindergarten und Kind 2 in die Krippe bringt. Ich dene jetzt mal nicht an die Eltern von noch mehr Kindern…

    • Ach, mann wächst mit den Aufgaben: Kind 1 geht jetzt in die Schule. Kind 2 in den Kindergarten. Und Kind 3 in der Krippe. Locations von Nr. 1 und 2 sind um die Ecke, von Nummer 3 auf dem Weg zur Arbeit. Und die Mama arbeitet gerade Mo – Mi in Madrid. Aber alles machbar. Dachte ich früher auch nicht, dass das geht. Aber wenn das Wasser langsam heiß wird, springen die Krebse nicht raus. Ich hätte nur nicht mit Drillingen anfangen wollen.

  5. Uli sagt:

    Und wer bleibt jetzt Zuhause mit dem kranken Kind? Die Statistik sagt es ist deine Frau…

    • Babyvater sagt:

      Hi Ulrike, sie hatte nur etwas schnupfen. Also falscher Alarm. Sie ist in der Kita. Bei uns springen im Falle einer Krankheit aber häufig die Großeltern ein. Was sagt denn da die Statistik? 😉

  6. Sebastian sagt:

    „Mut zur Lücke macht uns alle etwas widerstandsfähiger“. Alter, so isses!

  7. Sina sagt:

    Super beschrieben, ich musste zwischen sehr lächeln. Wir sehen das ganze auch immer gelassener und unser Kleiner ist dadurch auch entspannt. Wenn es mal stressiger wird, dann merkt man direkt wie negativ sich das auf die Art von ihm auswirkt. Bei uns ist auch der Mann der gelassenere Part aber er überträgt das sehr gut auf mich, weil gestresst wird man von anderen schon genug;)

    Alles Liebe Sina

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