Mein Papa ist Kriegsreporter – Interview mit Carsten Stormer
Wenn irgendwann mal ein kleiner Junge in der Schule aufzeigt und dem Lehrer ganz selbstverständlich erklärt, sein Papa sei von Beruf Kriegsreporter, dann wird es wohlmöglich der Sohn von Carsten Stormer sein. Zumindest hoffen wir das, denn sein Sohn ist noch keine zwei Jahre alt und sein Dad hat einen gefährlichen Beruf. Wir haben Carsten Stormer via FB kontaktiert und er war sofort zu einem Interview bereit. Seine Antworten schickte er uns aus Manila.
Waren Sie bei der Geburt ihres Sohnes dabei? Wie war das?
Natürlich war ich bei der Geburt dabei. Ein irres Erlebnis. Zum Glück hatte meine Frau einen Kaiserschnitt bekommen. So war das nervlich ganz gut zu überstehen.
Als ihr Buch „ Das Leben ist ein wildes Tier: Wie ich die Gefahr suchte und mich selber fand“ 2011 erschien, hatten Sie da schon die Vaterrolle im Kopf?
Als mein Buch erschien hatte ich mich noch nicht als Vater gesehen. Allerdings hatte ich auch nichts dagegen. Meine Frau und ich waren beide der Meinung: Wenn es passiert, gut. Wenn nicht, auch gut. Jetzt gibt es für mich allerdings nichts tolleres als meinen Sohn.
„Ich brauchte den Hexenkessel, die Todsünde, die Halunken, die Hoffnungsvollen und die Helden“ – so zitiert Sie die SZ. Brauchen Sie das alles heute immer noch?
Ja, das brauche ich immer noch. Ich sehe meinen Beruf auch als Berufung. Nicht etwas, was meine Miete bezahlt.
Welches Vorbild werden Sie ihrem Sohn sein?
Viele Leute rieten mir, nach der Geburt meines Sohnes, den Beruf zu wechseln. Ich sehe das anders. Ich möchte meinem Sohn auch zeigen, dass man seinen Idealen treu bleibt. Versuchen, einen Teil dazu beizutragen, dass die Welt ein bisschen besser wird. Trotz aller Risiken. Wie sollte ich ihm einmal erklären, dass ich mir selbst nicht treu blieb – und diese Entscheidung auf ihn abwälze?
Sind Sie eigentlich Teil eines Familienlebens?
Ich bin Teil unseres Familienlebens. Trotz der vielen Reisen. Qualität geht bei uns über Quantität. Ich hätte natürlich gerne mehr Zeit mit meiner Familie, aber das ist einer der Nachteile meines Berufes. Wir haben uns arrangiert.
Sie haben in Burma gesehen, wie Kinder von Regime-Soldaten zum Zielschießen an Bäume gehängt wurden. Wie kann man danach (als Vater) überhaupt noch so etwas wie Zuversicht empfinden?
Ich habe in Burma zum Glück nicht erlebt, wie Kinder getötet wurden. Das wurde mir von Augenzeugen erzählt. Aber ich habe das in Syrien und im Irak gesehen und erlebt. Zuversicht? Ich glaube immer noch, dass die Welt nicht so schlecht ist, wie sie dargestellt wird. Besonders in Kriegsgebieten erlebe ich häufig ungeahnte Menschlichkeit. Das gibt Hoffnung. Ich bin kein Zyniker. Was ich erlebe berührt mich, treibt mich an. Aber sollte ich einmal zynisch werden oder mich das Erlebt nicht mehr berühren, muss ich den Beruf wechseln.
Hat die Geburt ihres Sohnes ihre Einstellung zu ihrem Beruf verändert? Ihre Kollegen James Foley und Steven Sotloff haben für diese Haltung mit ihrem Leben bezahlt.
Die Geburt meines Sohne hat mich noch mehr darin überzeugt, diesen Beruf auszuüben. Nur wenn wir wissen, was in anderen Teilen der Welt geschieht, können wir auch etwas ändern. Es ist sowohl die journalistische, als auch menschliche Pflicht, nicht die Augen zu verschließen.
James Foley war ein guter Freund von mir. 2014 war ein hartes Jahr für mich. Erst starben zwei Freunde in Syrien (Syrer), die mir vor Ort das Leben gerettet haben. Im Juli verstarb mein Vater, im August würde James ermordet. Im Oktober wurde mein Sohn geboren. Das hat mich sehr mitgenommen.
Was sind ihre nächsten beruflichen Pläne und was sagt ihre Frau zu all dem?
Ich reise weiterhin nach Syrien und in den Irak. Meine Frau unterstützt mich dabei. Trotz aller Sorgen und Angst. Sie weiß, warum ich es tue. Ich erzähle ihr alles, wir haben keine Geheimnisse. Das ist nicht immer einfach, aber sie hat das Recht, zu erfahren, was ihr Mann erlebt.
Vielen Dank für das Interview!
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„Zum Glück hatte meine Frau einen Kaiserschnitt bekommen. So war das nervlich ganz gut zu überstehen.“ – oh je, wenn das die Mutti liest.