Diagnose Baby
Papa Doc, Doc Gee… merkt ihr was? Ich trage ja meine medizinische Kompetenz gerne nach außen. Fragt jemand nach, bestätige ich auch bereitwillig ein guter Diagnostiker zu sein. Selbstverständlich habe ich nie Medizin studiert. Wie auch? Meine Kenntnisse beruhen ausschließlich auf einem lebenslangen Studium der Hausapotheke. Eine pharmazeutische Schule des Lebens, die natürlich gerade beim Nachwuchs nach Anwendung schreit.
Apropos Schreien. Wie stolz ich darüber bin, dass ich die Gemütszustände des Dicken inzwischen detailliert am Zergeln und Schreien erkennen und daraus ebenso zielgerichtet Rückschlüsse auf die Ursachen des Missbefindens ziehen kann. Meinen Nicht-Kinder-Kumpels erkläre ich dann immer, dass ich wie ein Diagnosegerät funktioniere, das man an einen Motor anschließt. Das Teil liest dann die Speicher aus und BÄNG steht da die Fehlermeldung. So, erkläre ich dann, habe ich mich mental auch an den Körper des Herrn von Bödefeld angedockt, dass ich seine Fehlermeldungen quasi heraushöre.
„Er kriegt die Flasche nicht aus dem Regal“ kommentiere ich dann oder „er will raus“, „er will das iPhone“, „er hat Hunger“, „er ist müde“… so´n Zeug halt. Ich glaube, jeder Kindsvater kennt das.
Inzwischen hat mein Selbstverständnis in Sachen Diagnose aber ernste Kratzer bekommen und seither versuche ich die Diagnosefehler auf das Julchen abzuwälzen. Es gibt ja dieses Rumbrüllen, was bevorzugt zur Einschlafzeit oder nachts um 2.17 Uhr nicht enden will. Und dann, meine Freunde des unterbrochenen Tiefschlafs, sind echte Diagnosefähigkeiten gefragt. Wenn ich die letzten zehn der 15 HvB-Monate Revue passieren lasse, dann kamen wir (ich wechsele hier mal lieber in die erste Person plural) in gefühlt 64 Prozent der Fälle auf die Diagnose: Er hat Zahn.
Ergo gab es gekühlte Kauringe und dieses Dentinox-Schmerzlinder-Methadon. Inzwischen gibt es keine Tasche, keine Box, kein Fahrzeug und keinen Raum mehr, indem nicht ein Tube von dem Zeug rumliegt. Das coole ist: Manchmal hilft es wirklich. Was mich an der ganzen Sache nur skeptisch macht ist die unübersehbare Tatsache, dass der Typ außer vier Milchschneidezähnchen nichts Nennenswertes auf der Kauleiste vorzuweisen hat. Wie kann er dann also so oft zahnen?
Julchens Diagnose (sic!) war also faktisch mehrfach falsch und doch konnten wir ihm helfen. Was in mir den Glauben an den Placebo-Effekt, die Wirksamkeit von Zuspruch, Trösten und Liedern über Frösche, die ins Moor hüpfen wenn der Storch kommt, nährt.
Dennoch werden wir bald mal wieder mit Keta und Marco was grillen. Die sind beide Kiefer-Chirurgen und da werde ich mich medizinisch fortbilden, um auch eine zahnmedizinische Kompetenz nach Außen tragen zu können. Fortbildung ist ja auch für junge Eltern ein Muss.
Das gilt auch für mich, sagt mein Barkeeper.
Super! Genau so ist das! Beziehunhsweise war das! Denn noch spannender ist das beim zweiten Kind… da mutiert der aufgeregte Papa-Diagnose-Automat zum Papa 4.0, dem selbstlernenden Papasystem, was dann schon weiß, was es heißt: „Lass´ man laufen, kenn´ ich schon, das hört gleich von alleine auf, und Fieber ist sowieso gut und nicht schlecht usw……..“ Und tatsächlich: Die meisten Symptome sind ganz gewöhnlich und natürlich. Nur mann will es ja nicht glauben beim ersten Mal. Und, was soll ich sagen: das ist auch gut so! Denn Kümmern heißt Verstehen und Nähe zeigen und das ist das Allerwichtigste (Gilt übrigens für alle Altersklassen)