Das Schweigen der Väter: Brennpunkt Spielplatz

Spielplätze sind so eine Sache. Von Anfang an hatte ich Probleme mit dieser Institution. Allein schon diese Bänke um den Spielplatz herum engen meinen Horizont unverhältnismäßig ein. Im Laufe der Zeit habe ich mich mit dieser Subkultur urbanen Ausmaßes arrangiert. Jahrelange Erfahrung ließ mich routinierter werden, dennoch habe ich bis heute Berührungsängste. Nicht mit Sand und Schaufel, sondern mit Vätern und Müttern.

Small Talk-Bootcamp Sandkasten

Während meiner Elternzeit war ich täglich am Spielplatz. Anfangs bewegte ich mich dezent auf dem mir völlig unbekannten Terrain. 95 Prozent der anwesenden Erziehungsberechtigten waren Mütter. Ich erinnere mich noch allzu gut daran, als ich das erste Mal in diese Parallelwelt eingetaucht bin. Ich kam mir vor wie auf einer Party lauter Unbekannter, die sich untereinander alle sehr gut kannten. Es wurde gelacht, geflüstert, getuschelt, sich umarmt, sich verabredet. In dieser Schicksalsgemeinschaft kam ich mir verloren vor, fehl am Platze und ohne realistische Chance auf Anschluss. Aus den Augen der Mütter sprießte der Generalverdacht des Teilzeit-Vaters. Am liebsten hätte ich hinter dem nächsten Gebüsch einen Rückzug auf leisen Sohlen eingeleitet.

Homer_Ich_Bin_Dein_Vater_Blog

War ich am Wochenende auf dem gleichen Spielplatz kehrte sich das Geschlechterverhältnis ins Gegenteil um. Nun waren es 95 Prozent Männer vs. 5 Prozent Frauen. Aber auch hier kam ich mir vor wie auf einer Netzwerkveranstaltung. Diese oktroyierte Small-Talk-Pflicht macht mich per se kirre. Was soll man mit wildfremden Menschen besprechen, wenn der einzige gemeinsame Nenner das Elterndasein ist? Es gibt aber auch positives: Das denken alle Väter.

Methoden, wie man das Eis des Schweigens bricht, auf dem Spielplatz des Lebens gehören sie zum Grundrepertoire. Ähnliche Phänomene lassen sich auch im Fitnessstudio beobachten: Da schützen dicke Bügelkopfhörer vor unerwünschter verbaler Annäherung Dritter.

Teilbares Sandkastenequipment

Meiner kleinen Tochter sind solche Soft Skills denkbar egal. Sie sprintet bis heute gradlinig Richtung Sandkasten und bedient sich bei den Spielsachen anderer Kinder. Doch was macht man in solchen Fällen? Die Eltern fragen? Das Kind fragen? Einfach laufen lassen? Es gibt dutzende solcher ungeschriebener Gesetze. Schmerzhaft viele Spielplatzbesuche musste ich absolvieren, bis ich ein Gefühl für die Situation entwickeln konnte. Meine Taktik: Ein kurzer Blickkontakt, eine um Freigabe bittende Mimik und eine empathische Verarbeitung der Rückkopplungsgeste des Gegenübers. Ein Kinderspiel also.

Unteilbares Sandkastenequipment

Schwieriger wird es bei diesen neumodischen Superrollern von Micro*, Bobby Cars und Gokarts. Hier kommt die Share Economy an ihr Ende. Das liegt natürlich an den satten Preisen und der Hyposensibilisierung der Eltern. Eine explizite Frage Richtung Eltern ist zwingend notwendig. Ich habe wahre Dramen voller Fremdscham erlebt. Peinlich, Peinlich… Aber Obacht! Die Frage sollte erfolgen BEVOR es sich das eigene Kind auf dem Luxusliner bequem gemacht hat. Dies ist zwar eine unrealistische Grundbedingung, aber keiner hat behauptet, dass die Spielplatzsituation einfach wäre. Warum stellen Eltern diese Bentleys unter den Spielzeugen nicht einfach irgendwo an die Seite, sondern immer direkt neben dem Sandkasten? Ich weiß es nicht…

Beef im Sandkasten

Nun kommen wir zum unangenehmsten Teil eines Sandkastenbesuchs: Als wäre es nicht schlimm genug, dass man kein Schw*** kennt, nicht in den Small Talk reinkommt, keinen Roller besitzt oder sogar die Sandkastenschaufel vergisst, nein, jetzt fängt das eigene Kind auch noch einen Street War an. Oder noch schlimmer: Es wird von einem anderen Kind gemobbt. Was soll man jetzt tun? Fast immer sprinten beide Elternparteien zur Schlichtung herbei. Das ist dann immer etwas unangenehm, aber handlebar. Schwer wird es, wenn eine Elternfraktion fehlt. Oder wenn verlangt wird, dass die Kinder den Beef selber ausfechten sollen. Ich finde letztere Wahl immer blöd, wenn sich die Kinder Null kennen. Es ist schwierig zu erahnen in welche Richtung das Pendel schwingt. Man stelle sich vor meine Tochter gibt dem anderen Kind einen Dropkick. Wäre das nicht asozial, wenn ich vorher nicht eingegriffen hätte? Aber grundsätzlich bin ich da auf Mama Mias Seite, die sich an dieses Thema herangewagt hat. Sie mischt sich bei Konflikten nicht direkt ein. Gleichzeitig unterbindet sie Handgreiflichkeiten, die mehr als nur ein kurzer Ausdruck von Unmut sind.

Kinder_kämpfen_Talk_Ich_Bin_Dein_Vater_Blog

Nicht du, dein Kind steht im Vordergrund!

Spielplätze sind was für Kinder, nicht für Väter. Das musste ich in meiner Ignoranz auch erst lernen. Seitdem das bei mir angekommen ist, läuft es auch. Ich stehe ja nicht bis zu den Knien im Sand damit ich Spaß habe. Nein, ganz bestimmt nicht. Was ist schlimm daran, mit wildfremden Menschen Konversation zu betreiben? Es gibt zwar besseres im Leben, aber ich bin doch kein Rentner, der keine neuen Bekanntschaften mehr zulassen kann. Also Mut zum Spielplatz, Männer! Und wenn es gar nicht geht, dann holt euch Bügelkopfhörer. Die helfen auch weiter!

*Partnerlink

Für alle, die immer noch nicht wissen was sie zu tun und zu lassen haben:
Kesslers Knigge – 10 Dinge, die Sie nicht tun sollten wenn Sie auf dem Spielplatz sind

https://www.youtube.com/watch?v=DRL8fPOKQLw

 


Der Text ist im Rahmen der Blogparade von der lieben Bloggerkollegin Mama Notes zum Thema „Spielplatz Geschichten“ erschienen.


Der Artikel wurde auch in den DuMont-Onlinetiteln publiziert:


 

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

14 Antworten

  1. Küstemami sagt:

    Hej, bleib cool, Papi!

    Wir haben ebenfalls keinen Roller, kennen niemanden und kochen auch nur mit stillem Babyfreundlichem Wasser 😉 Für Dein Kind bist Du der Spielplatzheld, und Hauptsache, Ihr habt Spass 🙂

    Viele liebe Grüße aus dem Norden

    Küstenmami

  2. Sabrina sagt:

    Genial geschrieben. Aber keine Sorge wir Frauen auf dem Spielplatz wir beißen nicht. Wenn dann knabbern wir nur ein bisschen 😉 .

    Deinen Beitrag muss ich wirklich mal meinem Mann zeigen vieles kennt er aus eigener Erfahrung.

  3. Super Artikel Unser bisheriger Quotenmann wagt sich auch wöchtlich in die Spielplatzhölle zu den Allnatura Mamis http://sarahplusdrei.de/unsere-spielplaetze-brauchen-mehr-vaeter-oder-die-frage-sind-wir-muetter-wirklich-so-schlimm/

  4. Sehr schöner Artikel. Und das ‚Kesslers Knigge‘ Video ist der Hammer (insbesondere das Tontaubenschießen finde ich eine hübsche Idee).

    Viele Grüße,
    Christian

  5. Jörg sagt:

    *Lach*
    Sehr gut beschrieben, denn exakt so sieht es aus.

  6. Legendaddy sagt:

    Der Artikel spricht mir aus der Seele. Anfangs fühlt es sich so an, als wenn Mutti einen zum Tanzkurs schickt, man sich aber seinen Partner vor Ort suchen muss.

    Ich habe mich auch schon oft gefragt, ob ich eventuell nicht „Eltern-kompatibel“ bin. Jedes Mal wenn man in der Sandkiste hockt, irgendwelche Halbwahrheiten und Profilierungsfloskeln anderer Eltern anhören muss und am liebsten den einen oder anderen gleich mitverbuddeln möchte, kann einem der Spielplatz schon mal als reinste Qual erscheinen.

    Aber, und das ist das Entscheidende, man ist mit und fürs Kind auf dem Spielplatz. Und wenn man sich ungeniert ins Spielen und Toben stürzt, die Kleinen einen fantastischen Tag hatten und abends todmüde ins Bett fallen, dann merkt man, wie großartig so ein Tag auf dem Spielplatz doch sein kann.

    • Babyvater sagt:

      Alles ganz schlimm und schön zugleich. „Na, wen hast du alles getroffen am Spielplatz? Was gibt es für Neuigkeiten?“. Das bekommen wir doch immer von unseren Frauen zu hören. Als ob wir einen Plan hätten wer da alles rumhängt und was gerade Phase ist…

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