Daddy mit drei Müttern

Um es vorweg zu nehmen: Nein, es geht nicht um eine Eizellenspende oder ein IVF-Verfahren. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wie ihr alle habe ich „nur“ eine leibliche Mama. Die Original Mom, die ich immer wieder loben muss. Die anderen zwei kamen im Laufe meines Lebens hinzu.

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Meine zweite Mutter

Als ich zur Welt kam, war meine Schwester bereits zweieinhalb Jahre alt. Eins kann ich euch sagen, das Leben mit einer älteren Schwester verläuft wellenförmig. Bis zum 11. Lebensjahr überragte mich die Sis um etwa einen Kopf. Unsere Kämpfe gingen immer zu meinen Ungunsten aus. Sie war kräftiger, größer und im Kampf so erbarmungslos, wie Mike Tyson als er noch ein Gangster war. Gott sei Dank hatte ich in der Pubertät einen Wachstumsschub und die Fights wurden ausgeglichener. Spätestens als ich sie in einen Kaktus geschmissen hatte, warf sie das weiße Handtuch und die körperlichen Auseinandersetzungen waren für immer passé.

Wenn ich mit Freunden spreche, die eine jüngere Schwester haben, höre ich in jedem Satz einen protektionistischen Unterton. Einen Beschützerinstinkt, ähnlich wie ich ihn bereits heute bei meiner Tochter  verspüre. Bei mir und meiner Schwester war und ist das komplett anders. Ich bin nach wie vor der kleine Brudi. Nicht Janni, sondern Jannaki (aki-Endungen ist die typische Verniedlichungsform in der griechischen Sprache). Mir ist es relativ egal, mit wem sie sich trifft, was sie anstellt und auf welchen Partys sie rumlungert. Bei uns ist es eher umgekehrt. Sie hat eine perfide Technik entwickelt, die ich sonst nur von meiner Mutter kenne: Sie stellt die Fragen, die mich zum Grübeln bringen. Freue ich mich über eine exzessive Party mit Freunden ohne Partnerin, stellt sie mir die Frage des Grauens: „Ist sie nicht traurig darüber?“ Nutze ich eine Notlüge, um meinen Eltern etwas zu verschweigen, fragt sie mich, ob sich das denn lohne.

Lange Jahre fasste ich das immer als Bremse auf. Als ob Sie mir nichts gönnen würde. Immer wenn ich euphorisiert war, holte sie mich mit ihrem therapeutischen Hokuspokus runter. Mein erster Reflex war immer eine abwinkende Geste, um später in einer ruhigen Stunde einzugestehen, dass sie doch Recht hatte. Negativ formuliert würde man aus heutiger Sicht behaupten, dass Sie mich bemutterte, bevormundete und mir den Spaß nahm. Jetzt weiß ich, dass sie mir immer das Maximum gegönnt und mir den Weg dafür aufgezeigt hat.

Ihre Fragetaktik bringt mich zum Grübeln, und macht mich gleichzeitig zum besseren Menschen. Echt smart! Dafür danke ich ihr.

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Meine dritte Mutter

Jetzt komme ich zur dritten Mutter: Sie kam aus der Tiefe des Raumes. Aus dem Nichts sozusagen. Bis vor drei Jahren und neun Monaten war mir dieser Mensch völlig unbekannt. Was genau an diesem Zeitpunkt geschah? Ganz einfach: Meine Tochter wurde geboren und gleichzeitig das Muttertier in meiner Frau geweckt. Ab diesem Zeitpunkt fiel ihr die Unterscheidung zwischen Kind und Ehemann ab und an schwer. Zahlreiche Muttersprüche zum Augenrollen musste ich über mich ergehen lassen. Bereits während der Schwangerschaft warnte mich ein guter Bekannter, dass dies eintreffen könnte. Ich hatte damals zugehört, aber natürlich nichts verstanden. Jetzt muss ich stets an seine Worte denken. So z.B. wenn mich meine Frau vor versammelter Hochzeitsgesellschaft bittet, mich vom Bräutigam zu verabschieden. Da wäre ich persönlich natürlich nicht darauf gekommen. Ob beim Wochenendeinkauf oder den morgendlichen Terminremindern – Mutti 3 sieht alles!

Sicher, ich bin auch nicht mehr derselbe wie vor der Geburt. Nobody is perfect. Ich finde es dennoch schön, dass sowohl meine Frau als auch ich über diese Bevormundung reden und gemeinsam lachen können. Dennoch würde mich interessieren, was die Hochzeitsgesellschaft für ein Bild von uns hat. Aber wahrscheinlich kennt die das aus persönlicher Erfahrung.

Das Leben mit drei Müttern ist schön, anstrengend und konfliktreich. Was alles eint: Es ist ehrlich und bodenständig. Eins wird mir nie passieren: Ich werde nie abheben, nie arrogant auf Menschen zugehen und egoistisch denken. Und wenn es doch so weit kommen sollte, dann schaltet sich der CEO im Mutterbusiness ein: Meine echte Mutter.

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

Eine Antwort

  1. 6. Dezember 2016

    […] Ich will keine Schulterklopfer, keine Schönwetter-Daddy-Analogie bedienen und ein Held bin ich auch nicht, etwas Verhältnismäßigkeit wäre mir aber lieb gewesen. Auf eine belehrende dritte Mutter hatte und habe ich einfach bedingt Lust. […]

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