Ein Quantum Antibiotikum: Licence to ill

License_to_illIch erledige den Job als 00-Agent nun schon seit mehr als zwei Jahren und dachte, mich könne nichts mehr überraschen. Ich sollte mich getäuscht haben. Denn dieses Mal hatte „M“ einen ganz besonders perfiden Auftrag für mich. Es galt, der Zielperson über den Zeitraum von einer Woche zweimal täglich 7,5 Milligramm eines ganz besonders übel schmeckenden Tonikums zu verabreichen. Natürlich gab es keine Wahl. Ich musste den Auftrag annehmen. Schließlich war ich es, der neben „M“ in den letzten Monaten und Jahren ein außerordentlich enges Verhältnis zur Zielperson aufgebaut hatte. Ich hatte mir Vertrauen erarbeitet – ich hatte es mir erschlichen! Und diesen Bonus musste ich nun nur noch handlungsschnell nutzen – dachte ich. Was mich stattdessen erwartete, war Widerstand, wie ich ihn bislang nicht einmal von Superschurken und stürzenden Diktatoren erlebt hatte.

Zunächst brachte ich meine schmeichelnden Überzeugungskünste zum Einsatz, denen bislang noch keine weibliche Zielperson widerstehen konnte. Mit kleinen Geschenken und freundlichem Zuspruch gelang es mir erwartungsgemäß, die erste Dosis des entzündungshemmenden Tonikums an die kleine Frau zu bringen. Doch schon mit dieser einen Aktion hatte ich meinen gesamten Kredit verspielt. Die Zielperson trat mir fortan voller Misstrauen entgegen – insbesondere, wenn ich versuchte, es mit Fruchtgummi-Erzeugnissen in Form von Biene Maja-Protagonisten zu umgarnen. Mir blieb keine Wahl. Ich musste Phase 2 einleiten und meine körperliche Überlegenheit ausspielen. In unbeobachteten Momenten überrumpelte ich die Zielperson aus einem Hinterhalt, zwang es mit einem geübten Griff in die Knie und injizierte das Tonikum am Schluckreflex vorbei direkt in die Speiseröhre. Doch auch der Erfolg dieser Taktik war endlich: Die Zielperson entschloss sich bereits nach wenigen Gaben dazu, ab sofort unter höchster Anstrengung aller inneren Organe, die Flüssigkeit auf dem gleichen Weg wieder auf die Erdoberfläche zu befördern, auf dem sie auch in ihren Verdauungstrakt gefunden hatte.

Doch Kapitulation war keine Option. Denn was die Zielperson nicht wusste: Die regelmäßige Gabe des Mittels war nur zu ihrem Besten. Sie war befallen von hinterhältigen Bakterien, die sich auf die Fahne geschrieben hatten, ihren Hörapparat auf Dauer zu schädigen. „M“ und ich konnten das nicht zulassen, denn die Zielperson soll künftig noch wichtige Aufgaben erfüllen (als Beispiel sei an dieser Stelle nur das marode Rentensystem unserer fragilen Demokratie genannt). Ich musste also die finale Phase 3 einläuten und eine aufwändige Tarnung etablieren. Ab sofort war ich der Zielperson immer einen Schritt voraus: Schlief sie noch, stand ich bereits in der Küche und versetzte ihren morgendlichen Kakaotrunk mit einer extra-hohen Dosis des verlockend-süßen Pulvers – nur um anschließend das bittere antibiotische Tonikum beizufügen. Spielte sie abends noch friedlich in ihrem Zimmer, mixte ich bereits eine hochwirksame Mischung aus Bibi-Blocksberg-Sternchen-Joghurt und dem medizinischen Serum. Ich hatte mich zuvor bei unserem Experten „Q“ versichert, dass die Milchprodukte keinen negativen Einfluss auf die Wirksamkeit des Präparats hatten. Trotzdem stieß ich vor jeder Gabe einen kleinen Fluch auf ihn und sein Team aus: Warum zur Hölle waren sie trotz modernster Technik nicht in der Lage, das Tonikum in einer wohl schmeckenden Variante zu produzieren?

Auf der anderen Seite: Wenn sie es könnten, wozu bräuchte „M“ mich dann überhaupt noch?! Die Mission ist auf jeden Fall erst einmal erfolgreich abgeschlossen – als nächsten Einsatz wünsche ich mir trotzdem lieber wieder eine Aktion gegen einen größenwahnsinnigen Despoten – das ist stressfreier.

Lempi

Der Autor Thomas "Lempi" Lemken ist Papa von zwei Töchtern. Das bedeutet: Als einziger von uns lebt er mit gleich drei Frauen unter einem Dach. Neben seiner Funktion als Leithammel, ist er Gründungsmitglied, Stammautor und Lektor unseres Blogs.

8 Antworten

  1. Steph Lisa Wir haben uns ein paar Tipps von einem Profi geben lassen. Hier findet Ihr unser Interview mit Prof. Dr. med. Reinhard Berner:

    http://ichbindeinvater.de/bittere-medizin-interview-prof-dr-med-reinhard-berner/

  2. Steph Annie via Facebook sagt:

    Auf ein anderes Produkt einer anderen Marke bestehen, denn es gibt das Zeug in unzähligen Geschmacksrichtungen ( Ärzte und Apotheker bestreiten dies zunächst, aufgrund der Verträge mit dem jeweiligen Pharmakonzern), oder auf Kapseln bestehen, die kann man öffnen und in die Lieblingsspeise einrühren oder Tabletten zermörsern…. Alles andere ist doch echt Quälerei für alle Beteiligten.

  3. Steph Annie via Facebook sagt:

    Auf ein anderes Produkt einer anderen Marke bestehen, denn es gibt das Zeug in unzähligen Geschmacksrichtungen ( Ärzte und Apotheker bestreiten dies zunächst, aufgrund der Verträge mit dem jeweiligen Pharmakonzern), oder auf Kapseln bestehen, die kann man öffnen und in die Lieblingsspeise einrühren oder Tabletten zermörsern…. Alles andere ist doch echt Quälerei für alle Beteiligten.

  4. Agnes Be via Facebook sagt:

    Sehr lustig geschrieben, vor allem der letzte Absatz “ Wozu bräuchte mich M sonst?“

  5. Super lustig geschrieben! 🙂 Kleiner Tipp, das nächste Mal den Arzt um ein Rezept für ein anderes Antibiotikum bitten, die meisten Wirkstoffe gibt es auch schon in Geschmackssinn-erschlagend süß 😉 An solche Kleinigkeiten denken die meisten Ärzte nur leider nicht.

  1. 31. Oktober 2014

    […] Sache mit dem Kampf ums bittere Antibiotikum hat mir keine Ruhe gelassen. Deswegen habe ich mir erklären lassen, warum Medizin überhaupt […]

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