Der Stealth-Vater

Im Gegensatz zu den meisten Sinneswahrnehmungen kann man das Hören nicht abschalten. Man hört einfach immer, es sei denn man schläft. Letzteres gilt leider nur für Erwachsene. Babies und Kleinkinder scheinen nämlich einen sekundären Hörapparat zu besitzen, der auch im Tiefschlaf immer aktiv und hochsensibel ist. Bei technischen Geräten wird so etwas vom Hersteller als neue tolle Errungenschaft gefeiert und dem Konsumenten teuer verkauft – die kleinen Biester hingegen haben es standardmäßig integriert.

Früher war ich gerne lang und laut feiern, habe als DJ die Grenzen von Ohr und Anlage ausgelotet. Heute versuche ich mich als akustischer Stealth-Vater sobald die kleine Madame allein in ihrem Zimmer ist, um dem üblichen „Paapaaaaa?!“ zu entrinnen. Bloß keine Aufmerksamkeit erregen – wie früher in der Schule. Krasser wird es abends bzw. nachts: Der kleinste Muckser scheint für sie einem startenden Jetfighter zu gleichen (oder einem direkt ins Ohr schreiendem Kleinkind, um im Bild zu bleiben). Dies führt bei mir dazu, über Jahrzehnte lieben gelernte Eigenheiten und Marotten mit anderen Augen (bzw. Ohren) zu sehen:

  • Knacksende Zehen beim Wegschleichen? Abrollen über die Ferse hilft! Eleganz und Geschwindigkeit sind eh dahin…
  • Material der Hose: Jeans sind grenzwertig, Chinos gehen gar nicht. Am besten (weil geräuschärmsten) sind dicke Baumwoll-Jogginghosen.
  • Aufrechter Gang? …war gestern! Ich krieche teilweise rückwärts auf allen Vieren aus dem Zimmer, nachdem sie sich schläfrig zur Seite gelegt hat. Aufstehen wäre viel zu riskant!
  • Fernseher auf gefühlt 0.1 von 10. Kein Wunder, dass ich dauernd Fussball glotze, da braucht es den Ton noch am wenigsten. Den Versuch, Filmzusammenhänge bei dieser Lautstärke zu erahnen, habe ich längst aufgegeben. 

Andererseits: Wenn ich mich endlich geschafft aufs Sofa fallen lasse und dabei doch zu viel Krach gemacht habe – was gibt es Schöneres als das strahlende Gesicht meiner Tochter und ihre Ansage „Wach!“? Eben.

 

Update 29. April 2014

Weil es einfach perfekt passt (nein, Lego hat uns – leider – nicht bezahlt):

 

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