Bitte nicht anfassen!

Eigentlich ist die Geschichte ganz einfach: Alle Eltern, die ich kenne, möchten nicht, dass ihre Kinder von Fremden einfach so begrapscht oder geknuddelt werden. Klar: Auch Babies haben eine Intimsphäre und sie können sich nicht mal richtig wehren, wenn diese verletzt wird. Aber ganz so einfach ist das Thema dann doch irgendwie nicht.

Neulich beobachtete ich im Drogeriemarkt meines Vertrauens folgende Szenerie: Eine Mutter packt Ihre Einkäufe an der Kasse in ihren Kinderwagen, in dem ein ungefähr einjähriges Kind sitzt. Während die Mutter räumt und packt, nimmt das Kind Blickkontakt zu einem älteren Ehepaar auf. Der Herr schäkert etwas mit dem Kleinen und nimmt schließlich die Hand des Babys in die seine. Als die Mutter das entdeckt, bricht sie in eine mittelschwere Panikattacke aus und faltet den Herrn aufs lauteste zusammen, dass er das Kind nicht anzufassen habe! Was sich daraufhin in den Gesichtszügen des Mannes abspielt, ist eine Mischung aus Unverständnis, Traurigkeit und Scham.

Ich habe Verständnis dafür, dass Eltern nicht möchten, dass Fremde ihre Kinder anfassen. Mir geht es grundsätzlich auch so und ich habe selber diverse Erlebnisse hinter mir, in der mir die distanzlose Kontaktaufnahme von Fremden zu meinem Kind unangenehm war. Aber in dieser Situation tat mir nicht die Mutter leid, sondern der Mann, der in ihren Augen eine Grenze überschritten hatte. Denn eins ist klar: Für ihn war die Kontaktaufnahme zum Kind nicht nur selbstverständlich, sondern ein Zeichen der Zuneigung: Er wollte dem Kind eine Freude machen und wirkte ernsthaft verletzt ob der Reaktion der wütenden Mutter.

Wo zieht man also die Grenze? Ist es für euch ein absolutes No-Go, wenn Fremde eure Kinder anfassen? Kommt es darauf an, wer diesen „Übergriff“ begeht? Oder freut es euch sogar, wenn Fremde Kontakt zu eurem Kind aufnehmen, um ihm eine Freude zu machen?

Und: Machen nur wir Deutschen so ein Fass auf wegen dieses Themas? Wenn wir beispielsweise bei unseren Freunden in Spanien zu Gast sind, ist es völlig normal, dass sich alle Erwachsenen über die Anwesenheit von kleinen Kindern riesig freuen, mit ihnen interagieren – und dabei auch vor Körperkontakt nicht Halt machen.

 

Lempi

Der Autor Thomas "Lempi" Lemken ist Papa von zwei Töchtern. Das bedeutet: Als einziger von uns lebt er mit gleich drei Frauen unter einem Dach. Neben seiner Funktion als Leithammel, ist er Gründungsmitglied, Stammautor und Lektor unseres Blogs.

24 Antworten

  1. Anna Röhricht sagt:

    Nein, auch ein Erwachsener MUSS NICHT Hinz und Kunz die Hand geben! Man hat das Recht nein zu sagen und sich ggf.zu erklären.
    Kinder stecken die Hände noch in den Mund, deswegen kann ich es überhaupt nicht leiden, wenn jeder meint mein Baby an der Hand anfassen zu müssen!
    Und solange sie es noch nicht können, entscheide ich für meine Kinder.

  2. Bernhard sagt:

    Hallo, mich beschäftigt momentan, dass ich immer Streit mit meiner Frau bekomme, weil ich mein Kind mit den Händen anfasse, wenn ich zuvor anderen Leuten die Hand geschüttelt habe. Wenn ich dann das Kind anfasse muss sie gleich die Hände von unserer Tochter waschen oder sie passt dann auf, dass die Kleine die Hände nicht in den Mund nimmt. Mich nervt das, weil ich denke, dass so ein paar Balterien auch nicht schlecht sind. Eben je nachdem. Wie ist das bei euch?

  3. Sandra sagt:

    Vor einiger Zeit war ich in ähnlicher Situation. Mit dem Unterschied, dass sich mein Kleiner unwohl fühlte. Ich habe zwar meinen Mund gehalten, bin mir aber nicht sicher, ob es richtig war. Wenn du magst, kannst du es hier nachlesen. Sogar mit derselben Überschrift wie dein Post 😉

    http://akrobatikaufdemwickeltisch.blogspot.de/2013/12/bitte-nicht-anfassen.html

  4. Eddy sagt:

    mich macht es oft traurig zu sehen wie ängstlich und paranoid bereits manche 3 Jährige sind. dieses Überbeschützen mancher Eltern richtet grißen Schaden bei den kleinen Würmern hat. es zerstört ihr Selbstwertgefühl. denn was lernen sie denn im Grunde: „Meine Gefühle sind unwichtiger als det Wille meiner Eltern.
    Eltern die ihre Kinder davor „schützen“ von Fremden Zuneigung signalisiert zu bekommen werden sicher nicht die Besten im „auf andere“ zugehen.
    versteht mich nicht falsch, aber wenn ein besoffener Freak auf meine Kleinen zugeht würde ich auch hellwach und ggfls eingreifen, sorry aber beim Opa im dm? wer sich da nicht mitfreut der hat eib Problem mut sich, anderen Menschen und der Welt

  5. Richard sagt:

    Als Vater von einem kleinen und mit der Erfahrung eines halbjährigen Aufenthalt in den US kommt es mir vor, als ob in Deutschland eher weniger mit dem Kind interagiert wird. Ich sehe es eher entspannt, solange mein Grinsekater zeigt, das es für ihn ok ist. Und er signalisiert normalerweise, wenn es das nicht ist.

    Ich denke, mein kleiner hat auch einen anderen Begriff von Privatsphäre. Bei ihm ist die körperliche Interaktion noch wichtiger als bei einem erwachsenem. Von daher vertrau ich auch wieder, das er selber zeigt, was er möchte.

    Bei fremden Kindern bin ich vorsichtiger, erstmal nur schauen.

  6. Eve sagt:

    Ist mir (kinderlos, aber Tante 😉 ) auch schon passiert, dass mir ein Kleinkind die Hände oder den Fuß entgegengestreckt hat … und dann frage ich IMMER die Eltern, ob ich mal anfassen darf, wenn das Kind das möchte – IMMER!
    Ich finde, das gehört sich so, und das Respektieren der Grenzen auch schon der Allerkleinsten ist SO WICHTIG, auch für deren Abgrenzung/Sicherheitsgefühl/späteres Leben …
    Wenn ein Kind direkt vor mir hinfällt, dann ist es auch schon vorgekommen, dass ich’s spontan und blitzschnell aufgehoben und wieder hingestellt habe … scheint so eine Art Reflex zu sein 🙂 – gerade heute hatte ich an der Supermarktkasse darüber ein Gespräch mit einem türkischen oder türkischstämmigen Mann (Muslim), der mir erzählte, dass er weinende und/oder hingefallene Kinder aufheben, trösten und auf die Wange küssen würde, weil das eben NETT und so üblich sei … aber KEINE DEUTSCHEN Kinder, aus Angst, eventuell als pädophil zu gelten! – Das hat mir dann doch zu denken gegeben … aber sehr oft man WEISS ja wirklich nicht, mit welcher Intention jemand ans Kind herangeht – und die Balance zwischen ins Vertrauen gehen und im Misstrauen bleiben, ist oft alles andere als leicht, könnte ich mir vorstellen …

  7. Annette Paul sagt:

    Meine Babys wurden im Kinderwagen auch von älteren Damen am Kopf gestreichelt. Fand ich nicht so schön, habe aber nichts dazu gesagt, weil es nett gemeint war. Schlimmer fand ich die Bonbons, die das Kind auf einmal im Mund hatte! Von einer anderen jungen Mutter gespendet. Die hätte gern vorher fragen können. Hand anfassen, nachdem der Kontakt sogar vom Kind ausgegangen ist, ist in meinen Augen nur problematisch, weil man seinen Kindern immer erzählt, dass sie nicht mit Fremden mitgehen sollen etc.

  8. Minze sagt:

    Hallo! Bin über die Herzmutter auf Deinen Beitrag gestoßen und habe dort auch kommentiert. Möchte hier nur ergänzen, dass auch ich schon Menschen angepöbelt habe – völlig unfair und grundlos – einfach weil ich als müde, erschöpfte Mama den Kanal voll hatte 🙂 Hab mich dann aber immer auch entschuldigt… (Wobei man aber auch beim Bäcker eine Mutter, die grad nach Geld kramt und gleichzeitig ihr nölendes Kind beruhigt, nicht fragen muss „Stehen Sie an???“…)
    Also: Vielleicht hatte es auch nicht sooooo viel mit dem Anfassen zu tun; und wer weiß, was da grad los war, was das Anfassen in der Mama ausgelöst hat, was nie von dem Ehepaar so gemeint war. Aber: Wenn Deine Beobachtung zu solch konstruktiven Beiträgen führt, dann hat es sich ja gelohnt 🙂
    Schönen Abend!

    • Lempi sagt:

      Hallo Minze,

      ehrlich gesagt habe ich genau auf diesen Kommentar gewartet, vielen Dank dafür: Genau den gleichen Gedanken hatte ich nämlich auch schon und eigentlich ist dieser Aspekt schon den nächsten Beitrag wert – wie uns Eltern manchmal die Nerven blank liegen und darunter das Sozialverhalten leidet :-p

      Du hast natürlich vollkommen Recht: Das war nur eine Momentaufnahme und ich maße mir auch nicht an, besagte Mutter deswegen zu verurteilen. In der Tat war das nur der Aufhänger für das generelle Thema.

      Ebenfalls einen schönen Abend, viele Grüße
      Lempi

  9. Lempi sagt:

    Vielen lieben Dank für eure ganzen Antworten! Ich finde es sehr interessant, wie sehr sich die Sichtweisen auf das Thema unterscheiden. Dass auch die Kleinsten ein Recht auf Privats- und Intimsphäre haben, steht auch für mich außer Frage. Mir kommt es letztlich vor allem darauf an, auch im „elterlichen Verteidigungsmodus“ das richtige Maß an Höflichkeit zu bewahren. Mit den meisten Menschen kann man ja ganz normal reden und ich empfinde es als unangemessen, direkt laut zu werden – irgendwie ist das ja auch distanzlos 😉

  10. Nicole sagt:

    Ich kann dich gut verstehen, aber ich finde, dass jede Mutter selbst entscheiden darf, wer wann zu ihrem Kind Kontakt aufnimmt. Lächeln ist völlig in Ordnung, aber Anfassen finde ich, geht zu weit. Ich habe nicht immer so gedacht, aber als meine kleine Tochter auf die Welt gekommen ist und wir gleich danach verreist sind, ist mir was echt heftiges passiert. Ich stand mit meinem Baby in der Lobby eines Hotels und sie weinte, da schnellte ein ältere Dame auf mich zu, riss mir mein Kind aus der Hand und meinte es trösten zu müssen.. Hallo gehts noch? Dieses Erlebnis hat mich so geprägt, dass ich da einfach vorsichtig geworden bin..

    Liebe Grüße
    Nicole

  11. adriana sagt:

    Man muss darauf achten wer es macht man muss genau in die Gesichter gucken um zu sehen ob es gute oder böse Absichten sind wenn die versuchen das kind zum lachen zu bringen kann man das ruhig erlauben aber man muss nicht so ein Aufstand machen wie in dem Vorfall und das mit unter erwachsenen macht man das auch nicht ist kein Vergleich kinder also die meisten finden es toll wenn man die bewundert und süß finden usw und das ist eigentlich so ein lob für die wenn man die hand nimmt und sowas und das ist nicht nur bei Babys so kleinere kinder oder selbst jugendliche werden manchmal in die Wange kurz gekniffen… oder irg. Ähnliches also bei opis also älteren herren ist es unverschämt die anzuschreien weil die vllt selbst niemanden mehr haben.

  12. Andrea sagt:

    Schöner Artikel, der aber auch genau die Krux an der Sache zeigt.
    Wann ist es für Fremde ok das Baby anzufassen, und wann nicht. Ich habe da keinen festgelegten Weg. Das Runzelfüßchen ist sehr an Fremden interessiert und flirtet wahninnig gern. Wenn die Menschen sie dann berühren fängt sie an zu weinen – sie möchte schlicht aus der Ferne bewundert werden. Durch das Weinen signalisiert sie ja „Stop, nicht weiter.“ Es hat sich auch noch niemand darüber hinweggesetzt.
    Ich finde es nicht soo toll, dass Fremde mit ungewaschenen Fingern meinem Baby den (vom Body bedeckten) Bauch kitzeln wollen. Aber ich schaue mir das an – mein Runzelfüßchen weiß sich lautstark zu wehren und dann kann ich immer noch was sagen.

  13. Renate sagt:

    Ich denke auch, man muss hier gut abwägen, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Klar steht das Kind im Vordergrund, aber der Ton macht die Musik.
    Ich hoffe immer, dass meine kleine es selbst zeigt und anfängt zu weinen, wenn sie es nicht möchte. Wird bestimmt bald kommen. Und bevor sie das nächste mal in den mund wandern wische ich die Hände ab.

  14. Hanna sagt:

    Also ehrlich gesagt habe ich mir da noch nicht so wirklich Gedanken drum gemacht. Nicht in der Form. Aber so richtig hat ein fremder unseren Sohn noch(?) nicht angefasst. Vielleicht liegt es auch noch an der Babywanne, vielleicht wird da mehr Abstand gewährt. Aber ich trage Noah auch viel und ich muss sagen: Obwohl er da ganz viel mit Fremden shakert, wird er nicht angefasst. Außer von kleinen Kindern beim schwimmen. Die sind immer ganz fasziniert vom Kleinen und wollen ihn unbedingt streicheln. Und ehrlich gesagt finde ich das auch gar nicht schlimm. Da finde ich es schlimmer, wenn Noah todmüde ist, im Kinderwagen am wegpennen ist und die Oma (also jetzt wirklich die richtige, leibliche!) ankommt und ihn erstmal wach machen muss, weil man den ja so dringend anfassen muss. Man sieht ihn ja so selten… (Anmerkung: Sie wohnen unter uns!)

  15. Miriam sagt:

    Also entweder kommt der Kommentar zweimal oder er ist gerade gelöscht worden (Touchpad + Babypatscher). Ihr kennt das 🙂

    Mit dem Thema hast du bei mir einen ganz empfindlichen Nerv getroffen. Denn einfach so anfassen, finde ich, geht GAR NICHT. Vielleicht hätte ich bei der Situation wie du sie beschrieben hast ein Auge zugedrückt.

    Ganz generell finde ich aber die Meinung vieler Leute, Schwangere und Kinder seien betatschbares Freiwild, einfach nur daneben. Klar, da wächst ein neuer Mensch und ja, Babys/ Kleinkinder sind niedlich…Super. Aber schonmal was von Privatsphäre gehört? Und ich finde auch Kinder haben diese Privatsphäre. Wenn das Kind allerdings selbst interagiert ist das natürlich wieder was anderes. Kontakt da kategorisch zu verbieten führt wahrscheinlich eher dazu, dass das Kind Ängste vor anderen Menschen entwickelt.

    Trotzdem aber nochmal einBeispiel: du sitzt in der Bahn und lächelst jemanden an. Der steht auf und streichelt dir das Gesicht und die Haare. ..Würden sehr wahrscheinlich nur die wenigstens Menschen tutti finden, oder?

    Allerdings muss ich auch sagen, ist mir das bisher nur einmal passiert (hier: http://chamailionprojekte.wordpress.com/2014/05/24/do-not-touch/ ).

    Lg und ein schönes unaufgeregtes Wochenende 🙂
    Miriam

  16. Uli sagt:

    Die Hand oder den Finger geben fand ich meistens ok, auch wenn man mal die Füße kitzelt oder so. Allergisch finde ich in’s Gesicht fassen, das macht man unter Erwachsenen ja auch nicht. Eine Nachbarin hat unserer Tochter mal ein Kreuz auf die Stirn gemalt, das war so mit das absonderlichste.

    • Eve sagt:

      Hallo Uli, das sollte wahrscheinlich ein segen sein und war bestimmt herzensgut gemeint … geht aber natürlich trotzdem zu weit, wenn a) Anfassen nicht üblich und/oder okay ist und b) das Kind vielleicht gar keinen christlichen Segen bekommen soll …

  17. Sebastian sagt:

    Ich hatte das letztens auch im Fahrstuhl. Da wollte eine ältere Frau meinen kleinen anfassen.
    Da meinte ich „Achtung“
    Und sie „Ach beißt er?“
    ich „Nein hat aber dreckige Finger.“
    Sie „Ach macht nichts ich auch.“
    Ich „Dann würde ich mich freuen wenn Sie ihn nicht anfassen würden.“

    Meine Grenze ist bei soetwas oder wenn es mir komisch vorkommt. Dann werde ich energisch. Sonst schaue ich grimmig ich mag das auch nicht haben.

  18. vadder sagt:

    Ich finde das ist immer eine Sache der Situation. Ich denke die Hand geben ist definitiv so gut wie immer in Ordnung. Daran kann sich das Kind ruhig gewöhnen, auch als Erwachsener muss es irgendwann Hinz und Kunz die Hand geben. Im Gesicht meines Kindes oder irgenwo anders hat aber niemand etwas zu suchen. Nichts desto trotz macht auch hier der Ton die Musik. Niemand kann wissen, wie ich zu der Sache stehe, und ich finde, jeder hat das Recht in einem vernünftigen Ton meinen Wunsch vorgetragen zu bekommen, das mein Kind bitte nicht ungefragt berührt wird. Dafür muss ich niemanden zusammenfalten.

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