Wie Ballett mein Leben veränderte
Meine Vorstellung vom Leben mit Kind war von viel Phantasie geprägt. Die von Romantik durchdrungene Vorstellung, dass mich meine Tochter hechtsprungartig begrüßt, wenn ich sie abhole oder nach Hause komme, ließ drei Jahre auf sich warten. Stets träumte ich von gemeinsamen Leidenschaften, wie Basketball spielen, Lyp sync-Batttles mit Monthy Python-Filmen und die Passion für basslastige Musik.
Auch wenn es vielleicht wenige von euch zugeben, natürlich macht man sich als kinderlose Person unterbewusst Gedanken, was man mit dem Kind alles unternehmen kann. Bei mir waren das Vorstellungen, die auf meinen Interessen basierten, nicht jedoch auf denen meines Kindes. Wie auch? Es war ja noch gar nicht auf der Welt. So stellte ich mir häufig vor, wie meine Tochter Tennisprofi ist und ich ihr „Manager“. Also zusammengefasst: Sie arbeitet und wir reisen um den halben Globus. Toll, oder?
Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Bälle interessieren sie nicht und harte Musik macht ihr Angst. Die Monthy Python-Filme hebe ich mir für später auf. Das muss einfach klappen! Für mich gibt es zwei Sorten Mensch. Die Einen, die lachen, wenn sie „Romano eunt domus“ hören. Und die, die es nicht tun.
Leidenschaft ist zum Teilen da
Manche von euch wissen bereits von unserem WDR-Interview, was die wahre Leidenschaft meiner Tochter ist. Was meine Tochter wirklich bewegt, ist das Tanzen. Ich habe vor etwa 1 ½ Jahren auf YouTube Schwanensee angemacht und ab da war es um sie geschehen. Ich habe noch nie eine Dreijährige so hart trainieren sehen. Nach fünfmonatiger Schwanensee-Performance (Mein Favorit ist Vladimir Bourmeisters Inszenierung in der Mailänder Scala mit Svetlana Zakharova als Odette) haben wir sie schließlich beim Ballett angemeldet, wo sie bis heute voll dabei ist. Lillyfee, Eiskönigin und Lauras Stern haben keine Schnitte gegen das Ensemble in engen Hosen und Tutus. Schwanensee, Nussknacker, Cinderella? – Meine Tochter kennt sie alle!
Was mich interessiert, hat meine Tochter nicht zu interessieren
Statt abends angesprungen zu werden, musste ich monatelang immer Sigfried, den Prinzen, darstellen. Natürlich habe ich mitgemacht. Auch als ich den bösen Magier Rotbart verkörpern musste, tat ich mein Bestes. Hätte man mir vor fünf Jahren gesagt, dass ich ohne Gardinen vor einem bodentiefen Fenster Ballett tanzen würde, hätte ich wohl grenzdebil ins Leere geblickt und verstört abgewunken. Heute aber tanze ich wie der junge Billy Elliot zu den Klängen von Tschaikowski.
Das Ballett hat mich vieles gelehrt: Es geht nicht um meine Interessen, die ich auf das Kind unterbewusst projiziere, sondern um die Leidenschaften meines Kindes. Auch wenn ich auf harte Bässe und dunkle Gitarrenriffe stehe, ich passe mich an und nicht umgekehrt. Es ist schon eigenartig: Mittlerweile erkenne ich gewisse Analogien zwischen „Waltz I“ von Schwansee und einigen Metallica-Songs.
Heute will Babytochter lieber alleine performen und meine Frau und ich sind zum Zuschauen verdammt. Ich muss sagen, dass ich unser Pas de deux ein bisschen vermisse… Somit haben sich meine romantischen Vorstellungen doch erfüllt, wenn auch über tänzerische Umwege…
Ein großes Herzchen für diesen Artikel – huch, wir sind ja gar nicht bei Twitter 😀
So ist es: Man liebt irgendwann, was die Kinder lieben. Das macht ja sogar philosophisch gesehen Sinn: Wenn sie ein Teil von uns sind, dann wohl auch ihre Interessen. Und sei es eben Ballett.
Ich liebe inzwischen Tiere, die mich früher nicht interessierten, nur, weil meine Kinder sie eben lieben – unter Anderem erkenne ich inzwischen Schönheit, Eleganz und andere Eigenschaften von Tieren wie Füchse oder Haie …