90 Minuten Stress mit den Kindern: Ein Vater beichtet seinen Stress

„Es gibt  auch schwierige Tage. Diese werden wir hier  nicht aussparen. Versprochen.“  Mit diesem Satz sind wir mal angetreten. Dafür war es hier in letzter Zeit aber ganz schön harmonisch. Zu harmonisch. Herrscht hier etwa nur Friede, Freude, Eierkuchen im siebten Familienhimmel? Nein, auch nicht bei uns. Manchmal reichen 90 Minuten, um an die Grenzen des Vaterseins zu stoßen. So wie neulich. Die Aufgabe schien einfach: „Iss noch zu Abend mit den Kindern und dann bringst du sie ins Bett. Ich muss dann mal los.“ Und dann begann sie, die Chronologie des Scheiterns. Die Protagonisten: Das dreieinhalbjährige Kind, das fünfmonatige Kind und ich.

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18:30 Uhr
Mama verlässt die Szenerie, was das kleine Kind, was zu meinem Nachteil derzeit sehr auf meine liebe Frau fixiert ist, zu Tränen treibt. Nun gut, passiert. Wird sich schon beruhigen lassen. Die Pommes sind im Backofen und das große Kind hat wenigstens noch mittelgute Laune.

18:35 Uhr
Das kleine Kind weint. Das große Kind ist genervt und fragt, ob es eine Runde Kinderprogramm gucken darf. Okay, was soll’s?! Ab vor die Kiste.

18:40 Uhr
Das kleine Kind schreit. Das große Kind beschwert sich, weil es nicht alleine sein will. Kann ich verstehen – aber nicht ändern.

18:45 Uhr
Das kleine Kind schreit. Immer, wenn ich es halbwegs beruhigt habe, kommt das große Kind und will helfen / sich beschweren / (setzen Sie hier noch einen beliebigen anderen Grund ein). Anschließend schreit das kleine Kind noch lauter.

19:00 Uhr
Das kleine Kind hat sich in den Schlaf geschrien. Dumm gelaufen, aber nicht zu ändern. Dann wenigstens jetzt mal etwas mit der Großen quatschen und Pommes futtern. Wird doch noch ein runder Abend, denke ich noch.

19:08 Uhr
Das kleine Kind weint. Sobald es wieder bei uns am Tisch ist und sich einigermaßen beruhigt, muss die Große zum Klo: Weinendes Kind auf dem Arm, einhändiges Hose öffnen, schließen, usw. – noch lauter weinendes Kind.

19:15 Uhr
Das kleine Kind schreit. Ich stopfe die letzten Pommes in mich und die Große – weinendes Kind auf dem Arm. Die Laune des großen Kindes sinkt in den Negativbereich – wer kann es ihm angesichts Geräuschkulisse und Uhrzeit verdenken?

19:20 Uhr
Das kleine Kind weint während ich die Große fürs Bett fertig mache. Die elektrische Zahnbürste sorgt für kurzfristige Ablenkung und Beruhigung, die ganze 40 Sekunden anhält. Anschließend weint das kleine Kind während ich die Große umziehe. Es ist bewundernswert, mit welcher Geduld sie noch immer versucht, ihre Schwester zu beruhigen, während ich nervlich längst am Abgrund stehe.

19.30 Uhr
Das kleine Kind weint, was das große Kind nicht davon abhält, vehement nach ihrer Gute-Nacht-Geschichte zu verlangen. Vorschläge, diese ausnahmsweise durch ein Hörspiel zu ersetzen, werden damit quittiert, dass sie nun auch weint. Das Chaos ist perfekt.

19:45 Uhr
Was habe ich über diesen Bobo Siebenschläfer geschimpft. Dabei ist er ein wahrer Teufelskerl. Nach nur einer halben Geschichte haben beide Kinder die Heulerei eingestellt, nach zwei Geschichten geht die Große von alleine ins Bett, während die Kleine friedlich auf meinem Bauch kuschelt als sei den ganzen Abend nichts gewesen.

20:00 Uhr
Küche, Badezimmer und Wohnzimmer sehen aus wie Schlachtfelder aus Herr der Ringe und das kleine Kind hat natürlich keinen Schlafanzug an, aber es herrscht himmlische Ruhe. Die zwei schlafenden Kinder sehen so aus, als könnten sie kein Wässerchen trüben und ich merke schon in dieser Sekunde, wie die Erinnerung an die ganze Nerverei verblasst. Da denke ich mir: „So geht es doch auch nicht! Du musst dich irgendwann ja auch mal an die Momente erinnern, die endlos stressig waren. Schreib das mal auf!“

Erledigt!

Lempi

Der Autor Thomas "Lempi" Lemken ist Papa von zwei Töchtern. Das bedeutet: Als einziger von uns lebt er mit gleich drei Frauen unter einem Dach. Neben seiner Funktion als Leithammel, ist er Gründungsmitglied, Stammautor und Lektor unseres Blogs.

9 Antworten

  1. Judith sagt:

    Hast noch Glück gehabt. Unser jüngster Nachwuchs hätte dem vermutlich noch eins oben drauf gesetzt und vor lauter Schreien auch noch gekotzt. Ich vermute, Papa ist es zu Beginn ganz ähnlich gegangen. Gut, dass er darüber geschwiegen hat wie ein Grab…

  2. Düse sagt:

    Wird sofort an den Ehemann weitergeleitet „für wenn Mutti nächstes Mal zur Rückbildung muss“. ;-))

  3. Uli sagt:

    Und alle so: ♫ „Ja hier Kommt Conni! Meine Freundin Conni…“ ♫

  4. Marko sagt:

    Wie wahr, wie wahr. 😉
    Das Vorbeitrippeln am nervlichen Abgrund kommt immer wieder schneller als man denkt. Auf der anderen Seite kommen aber auch die Höhenflüge aus dem Nichts daher… Hab dazu neulich einen Beitrag geschrieben:
    http://ultimatemoms.at/2015/11/03/faekalromantik-und-kinderliebe/

  5. Stefan sagt:

    Klingt authentisch. Sehr sogar. Könnte auch ein hier protokollierter Abend sein. „Scheitern“ würde ich es aber nicht nennen. Solange die Kinder mehr Mama-fixiert sind (same here), stellt sich auf beiden Seiten Verunsicherung ein, wenn Mama mal nicht da ist. Ich habe hier stets gebibbert, wenn meine Frau am Abend Termine hatte … mit den Kleinen waren das wirklich Momente, an die ich ungern denke. Inzwischen sind die „Kleinen“ etwas größer (3 und 6), da läuft es sehr entspannt.

    Insofern: Geduld. Und gutes Durchhalten. Es ist nur eine Phase. ;-))

    (Außerdem hat man in der „gewonnenen“ Zeit dann auch mehr Zeit für die prä-pubertären Macken der Zehnjährigen…hmpf.)

    • Lempi sagt:

      Du hast sicher Recht, dass „Scheitern“ ein zu hartes Wort ist. So eskaliert wie an diesem Abend ist es allerdings zuvor noch nie – und hoffentlich auch so schnell nicht wieder.

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