Machos & Patriarchen? Vorurteile und Fakten über Väter mit Zuwanderungsgeschichte

Reisepass_Janni - Ich Bin Dein Vater - VaterblogDie Rolle des Vaters innerhalb einer Familie steckt empirisch noch in den Kinderschuhen. Größe 22. Erst in den letzten Jahren hat die Wissenschaft vermehrt zu diesem Thema geforscht. Die Erkenntnisse: Väter sind eine zentrale Ressource für ein psychisch gesundes Aufwachsen und eine erfolgreiche Zukunft unserer Kinder. Im Vergleich zu den Müttern, die deutlich vorsichtiger und behütender erziehen, scheinen wir eher etwas durchgehen zu lassen. Indem wir größere Freiräume gewähren, wecken wir die Abenteuerlust, was  Kindern ein kräftiges „geistiges Futter“ gibt. Genau wegen diesem „Futter“ kracht es auch öfters zwischen Vater und Mutter. Zumindest bei mir war und ist das so.

Wenn die Forschungslage bei deutschstämmigen Vätern schon so bescheiden ist, wie soll es dann bei Vätern mit Zuwanderungsgeschichte aussehen? Genau. Ziemlich mau. Informationen über uns Schwarzkopf-Väter finden sich nicht in Forschungsbüchern (OK. Es gibt ein paar Ausnahmen wie Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan, Michael Tunc und Wassilios Ftenakis), sondern in den Stammtischen und Klatschspalten der BILD. Aber warum ist das so und wie ist es dazu gekommen? Das Fehlen von theoretischen Erkenntnissen hat auch praktische Auswirkungen auf starkpigmentierte Familienväter wie mich. Sozialpädagogische Angebote wurden lange Zeit an Mädchen und Frauen adressiert, weil diese als „behandlungsbedürftige Gruppe“ wahrgenommen wurden. Weibliche Zuwanderer lösen deutlich stärkere Solidaritäts- und Fürsorglichkeitsgefühle (als Opfer und Entrechtete einer „archaischen Tradition“) aus, während junge Männer viel stärker mit Skandalisierungen in Verbindung gebracht werden (Gewalt, Radikalismus, religiöser Fanatismus etc.).  Aber wieweit ist das Klischee von dem „autoritären Vater“ und der „umsorgenden Mutter“ mit Migrationshintergrund noch gültig?

(Foto: Paul Janokowski, via StreetArt in Germany)

Vor allem türkische Väter müssen gegen heftige Kritik und Vorurteile ankämpfen. Ein kleiner Teil von pseudo-religiösen Spinnern, die sich die Diskrimminierungsrosinen aus den Weltreligionen rauspicken, um die eigenen Familien nach ihren Vorstellungen zu unterdrücken, zerren eine integrierte und kulturell wichtige Minderheit mit in die Dunkelheit. Der vorherrschende Duktus betrachtet türkische Männer als autoritär und aggressiv; unterstellt, sie würden ihre Frauen und Töchter unterdrücken und sie seien gewaltbereit, wenn es um die Ehre gehe. Nicht zuletzt werden sie als unfähig betrachtet, sich den Anforderungen einer modernen Gesellschaft anzupassen. Ehrenmorde und Gewaltexzesse in U-Bahnhöfen fördern diese Denke natürlich. Populistische Rattenfängerparteien machen sich das zu Nutze und stellen Gewalt und ethnische Herkunft  in einen engen Zusammenhang.

Um gefühlte Wahrheiten Paroli zu bieten, ziehe ich gerne Studien zu Rate. Ich bin ein Fan von Studien. Denn sie sind i.d.R. wahr. Ob man daran glaubt oder nicht. So ist aus Studien klassischer Einwanderungsländer bekannt, dass auch Väter mit Migrationshintergrund gleichermaßen gute Väter sein wollen und aktive Väterlichkeit praktizieren. Auch diese Väter wollen mit ihren Kindern Spaß haben und Zeit verbringen, wollen die Entwicklung und schulische Bildung ihrer Kinder aktiv fördern, über ihre Rolle als Vater nachdenken und diese Erfahrungen auch mit anderen Vätern austauschen.

Dass aktive Vaterschaft auch bei Vätern mit Zuwanderungsgeschichte „im Trend“ liegt, belegt zum Beispiel die Evaluationsstudie zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz von 2009. In Familien mit Migrationshintergrund bezogen in elf Prozent der befragten beide Partner Elterngeld. Fünf Jahre später dürfte der Anteil noch angestiegen sein. Bei der Gesamtheit der befragten Haushalte waren es 17 Prozent. Eine Sinus-Milieustudie aus dem Jahr 2007 zeigt: Zugehörigkeit zu einem sozialem Milieu beeinflusst die Alltagskultur mehr als Religion oder ethnische Herkunft. Menschen aus dem gleichen sozialen Umfeld mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbindet mehr miteinander als mit dem Rest ihrer Landsleute aus anderen Milieus. Man kann also nicht von der Herkunftskultur auf das Milieu schließen, oder umgekehrt. Der Einfluss religiöser Traditionen wird also oft überschätzt. So ähnlich geht es nämlich auch mir. Ich habe schwarze Haare, dunkle Augen und Haare an Stellen, die selbst Jacques Cousteau nicht ergründet hat. Letztens wurde ich von einem Mann (!), der mir zum ersten Mal begegnet ist, als Macho bezeichnet. Als er erfahren hat, dass ich Grieche und Christ bin, hat er seine Meinung revidiert (?). Das ist doch krank!

Warum ist das Herkunftsland immer so wichtig? Und warum muss Kultur in territorialen Grenzen definiert werden? Fragen, die nur eine Gesellschaft als Ganzes beantworten kann. Ich befürchte nur, dass es noch eine ganze Weile so bleiben wird. Meine Tochter wird hoffentlich damit klar kommen.

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

7 Antworten

  1. almut sagt:

    Ich teile Deine Meinung, stolpere über diese Vorurteile in Seminaren, auf Elternabenden und finde sie unsäglich kontraproduktiv. Doch Du findest die Kategorie „Herkunftsland“ so ärgerlich, wie ich die Kategorie „Geschlecht“. Und deshalb machst Du in Deinem Text, der sich gegen Kategorien wendet, eine neue Schublade auf:

    „Im Vergleich zu den Müttern, die deutlich vorsichtiger und behütender erziehen, scheinen wir eher etwas durchgehen zu lassen. Indem wir größere Freiräume gewähren, wecken wir die Abenteuerlust, was Kindern ein kräftiges „geistiges Futter“ gibt.“

    WIR Väter? Es gibt nicht DIE Mütter an sich und im allgemeinen, genausowenig wie es DEN Vater und sein Verhalten gibt. Schau dich um und pack nicht alle in dieselben (meist mit Hierarchien verbundenen) Schubladen. Wenn Du die Mütter übersiehst, die anders handeln, als Du es von Müttern im Allg. annimmst, und die „vorsichtigeren und behütenderen“ Väter als Ausnahme wahrnimmst, dann gibst Du so ganz nebenbei Klischees an Deine Kinder weiter, obwohl Du Dir doch genau diese Sensibilität im Punkt Herkunft/Aussehen von anderen wünschst…

    • Babyvater sagt:

      Du hast Recht almut.

      Ich beziehe mich in erster Linie auf Statistiken und Durchschnittswerte von Langzeitstudien. Seh‘ mir bitte die Überspitzung nach. Das ist nunmal mein Stil. 😉

      Mein Stil?: Kein Mittelwert einer Studie beschreibt eine konkrete Person, sondern vielmehr eine Tendenz. Wahlprognosen sind auch nicht immer 100%ig korrekt, aber auch hier gibt es Methoden einen Wert zu ermitteln, der am Ende sehr nah rankommt. Natürlich ist jede Mutter, Vater, Kind, Oma und Opa individuell und unterschiedlich. Diese Diffenernzierung in hunderte Grautöne sind korrekt aber etwas schwierig in Worte zu fassen. Letztendlich lassen sie kaum spitze Formulierungen zu. Und die mag ich doch so gerne… 😉

      Viele Grüße,
      Babyvater

      • almut sagt:

        „Kein Mittelwert einer Studie beschreibt eine konkrete Person, sondern vielmehr eine Tendenz.“
        Warum gilt das für Dich bei Mann-Frau und soll bei Hautfarbe, Herkunft… nicht gelten? „Tendenz“?? Wann darf ich dir als Argument heranziehen? Genau das ist doch das Argument derer, die ihre Kinder nicht auf Schulen mit hohem… ja was? -Anteil schicken. Hier argumentierst du anders, als bei Deiner Beschreibung unterschiedlicher Erziehungsstile. Schade.

        • Babyvater sagt:

          Hier muss ich Dir leider widersprechen. Natürlich habe ich auch für die These, dass Männer tendenziös etwas dynamischer und mutiger mit Kindern spielen, eine Studie zu Rate gezogen, nur nicht verlinkt. Ich setze durchaus gleiche Maßstäbe an und unterscheide nicht willkürlich.

          Und: Nicht jeder Vater ist mutig und nicht die jede Frau ist ängstlich. Das ist quatsch und wenn man das aus dem Text herausliest, dann tut mir das auch ehrlich leid.

          Hier die Studie: http://www.zeitschrift-fuer-familienforschung.de/pdf/2005-1-oberndorfer.pdf

  2. Der_Papa sagt:

    Der Evaluationsbericht ist ja wirklich interessant. Ob ich da als „Hybrid“ auch noch erfasst bin? Oder zählt das dann nicht?
    Das ich nicht ganz „deutsch“ aussehe, fällt mir auch nur dann auf, wenn ich mit solchen Vorurteilen konfrontiert werde. Zum Glück ist das bis jetzt sehr selten gewesen und hat sich eher in Beschimpfungen geäußert wie, „sch… Türke!“ und ein „sch… Jude!“ war auch schon dabei. Das dabei noch kein einziges mal meine ethnische Herkunft korrekt erraten wurde, lässt ja auch auf einiges an Voruteilen schließen. Ich hoffe, dass meiner Tochter solche Erfahrungen erspart bleiben, aber ich befürchte, bis wir uns alle als Weltenbürger sehen, müssen noch einige Generationen kommen und gehen…

  3. Herzmutter sagt:

    Interessantes Thema… Und dieses sch… Plakat!! Gibt’s die etwa irgendwo? Noch nie gesehen… Ich kenn übrigens auch positive Vorurteile (habe mit Flüchtlingen gearbeitet die mir viel erzählt haben); daß zum Beispiel viele Afghanen liebevollere Väter sind (Mütter übrigens auch) und mehr durchgehen lassen 🙂

    Liebe Grüße, Janina

  1. 2. Juni 2014

    […] “Ich bin dein Vater” schreibt Babyvater über Väter mit Zuwanderungsgeschichte (oder wie er sie auch nennt: “Schwarzkopf-Väter”), welchen Vorurteilen sie ausgesetzt […]

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