Urlaubslearning: Passt mit Pässen auf! (Gastbeitrag)

URLAUBS LEARNINGWenn man nicht zu denen gehört, die mit ihren Kindern sofort nach der Geburt einen Intercontinental-Flug bestreiten oder mit Babynahrung im Rucksack auf Achttausender klettern: VOR-sicht! Den VOR geplanten Flugreisen lohnt der Blick in den Kinder-Reisepass…, wenn man ihn denn findet. Bei Reisen zu unserer geliebten Nordsee-Insel brauchten wir den ja nie. Aber es musste ja das Mittelmeer sein. Meine Tochter, 13 Jahre, hatte sich durchgesetzt.

Nach einem flüchtigen Blick in den angestaubten Kinder-Reisepass, bemerkte ich eine nicht zu unterschätzende Schwachstelle: Er war abgelaufen, dieser Pass, zehn Tage vor Abflug! Verlängern geht nicht, ist ja kein Unentschieden im Pokalfinale. Ein neuer Pass musste beantragt werden, also auf zum Amt. Termine gäbe es aber nicht mehr. Kein Wunder, wenn das größte Bundesland in die Ferien geht.

Kennt ihr den? „Kommt ein Mann zum Bürgeramt…“

Und es kam schlimmer. Mutter und Vater müssen nämlich beide erscheinen und natürlich die Tochter, die muss ja unterschreiben. Und weil der Sohn nicht allein zuhause bleiben will, kommt der auch gleich mit.

Stehen wir also zu viert zunächst vor der Fotobox, um eines dieser biometrischen Gangsterfotos schießen zu lassen. Heute glaube ich, dass deutsche Behörden mit diesen schlechtgelaunten Portraits dem Rest der Welt nur beweisen wollen, dass das mit dem deutschen Sommermärchen 2006 ein Versehen war. Immerhin passt der Gesichtsaufdruck auf den Fotos zu meiner Gemütslage.

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Jetzt aber nichts wie rein in die Schalterhalle und ran an den Nummernkasten. Es ist 8.20 Uhr und ich ziehe die 177, meine Glückszahl! Auf der digitalen Anzeigentafel prangt die 62.

Erst jetzt fällt mir auf, dass die Schalterhalle unseres so genannten Bürgerbüros aussieht wie die Wartehalle eines lateinamerikanischen Busbahnhofes kurz vor Ostern.

„Aber das geht bestimmt ganz zügig“, versuche ich meine Liebsten bei Laune zu halten, während mein altes Statistikerhirn eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 1 Minute und 12 Sekunden errechnet. Macht in Summe rund zwei Stunden Wartezeit, bevorzugt im Stehen. Die Familie verabschiedet sich bei diesen Aussichten vorsichtshalber ins nächste Café.

„Bei 167 schick‘ ich eine SMS“, rufe ich noch hinterher, stehe allerdings längst alleine da. Alleine und inmitten von Menschen, die entweder eine Arbeitserlaubnis brauchen, ein Auto anmelden wollen oder einfach nur einen neuen Pass benötigen. Das sind meine Leute und ab und zu nicken wir uns auch zu.

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Gegen 10.30 Uhr treffen meine Berechnungen zu. Wir sind dran! Alles ist gut, bis die nette Dame vom Amt nach der Größe meiner Tochter fragt. Kaum waren mir die einen Meter und 65 Zentimeter rausgerutscht, traf mich der erboste Killerblick von rechts und der Spruch: Papa, das war ich doch schon vor drei Monaten. Ich bin bestimmt schon größer!“ Auf meinen zugegeben etwas genervten Einwand, dass das doch ziemlich egal sei, dass die Größe auch in drei Monaten nicht mehr stimme und auch keinen wirklich interessiere, kam prompt noch eine pädagogische Breitseite von der Dame des Hauses: „Du kannst doch nicht einfach über den Kopf unserer Tochter hinweg eine falsche Größe angeben. Das geht doch nicht!“

Doch das geht, denn ich will hier raus und zwar schnell.

„Ich hätte auch einen Zollstock hier. Sie könnten messen“, sagte die Dame vom Amt, die sicher Mitleid mit mir hatte.

Als mein Sohn dann noch den Spruch brachte, es müsse ja schließlich alles seine Richtigkeit haben, gab ich einen Meter und 67 Zentimeter an, während ich den Zollstock möglichst lässig an den Rücken meiner Tochter hielt. Gemessen habe ich natürlich nichts, schon aus Prinzip. Und so steht das jetzt im Pass, den ich drei Tage später, Expresszuschlag sei dank, abholen konnte.

Passt mit Pässen auf, junge „Ich Bin Dein Vater“-Väter…da rollt sonst was auf euch zu.

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