Google ist nicht dein Freund

Google

Geht es deinem Kind nicht gut, hast du ein Problem. Bemühst du oder – noch schlimmer – deine Frau in dieser Situation Google, hast du gleich zwei. Homöopathische Hobby-Ärzte, hyperventilierende Jungmütter und Pseudo-Psychoanalytiker – sie sind alle nur eine Suchanfrage entfernt. Egal, ob es um Fieberschübe, Schlafprobleme, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme oder ihrer Verdauung geht: Sie haben zu jedem Anliegen eine Meinung, profundes Halbwissen, aber nie die Lösung.

Wir haben es wahrscheinlich schon alle hinter uns, denn bereits in der Schwangerschaft geht es los: Ein Zipperlein hier, ein ungewohntes Gefühl dort und schon wird die Suchmaschine angeschmissen. Nehmen wir Männer daran nicht nur Anteil, sondern versuchen selbst, uns schlau zu machen, eröffnet sich ein bislang unbekanntes Subnetz des World Wide Web: die Frauenforen! Netmoms, Gofeminin, Urbia – zu tausenden tummeln sich unsere weiblichen Artgenossen in diversen Foren und verbreiten mit ihren Ratschlägen und Erfahrungsberichten Angst und Schrecken. Zugegeben, das ist vielleicht etwas überspitzt, denn wie überall im Netz gibt es solche und solche. Doch was mir nach jedem Besuch eines Schwangeren- oder Mütterforums im Gedächtnis bleibt, sind die folgenden Typen:

Die Worst Cases
FieberGeht es dir gut, hast du keinen Anlass, irgendwas ins Internet zu schreiben. Schon aus dieser simplen Feststellung ergibt sich, dass sich in Ratgeberforen bevorzugt die schwierigen Fälle tummeln. Die Folge: Hinter der erhöhten Temperatur deines Kinds steckt laut der Beiträge deiner Mitdiskutanten nie einfach nur eine Erkältung, sondern auf jeden Fall mindestens ein Drei-Tage-Fieber oder eine hochansteckende Tropenkrankheit – auch wenn du deinen letzten Urlaub nur auf Borkum verbracht hast. Konkrete Tipps, wie du in einer akuten Problemsituation agieren könntest sind Mangelware, dafür wird ordentlich Panik gesät, die dich im Zweifel samt Frau und Kind in die Notfallpraxis treibt, statt darauf zu warten, dass der Kinderarzt am nächsten Tag regulär wieder öffnet.

 

Die Naturverbundenen
Globuli„Also wir haben da sehr gute Erfahrungen mit Globuli gemacht!“ – ich kann diesen Satz nicht mehr hören. Diese kleinen, weißen Kugeln helfen angeblich nicht nur bei Allergien, Einschlafproblemen und Kopfschmerzen, sondern sind in der Welt der „Naturverbundenen“ auch die richtige Antwort auf Unterschenkelfrakturen und hochansteckende Tropenkrankheiten (siehe oben). Versteht mich nicht falsch: Ich weiß, dass es nicht klug ist, sein Kind bei jedem kleinen Problem mit der variantenreichen Produktvielfalt der pharmazeutischen Industrie vollzustopfen. Trotzdem bin ich ein Freund der so genannten „Schulmedizin“. Dieses Wort wird in den Mütterforen jedoch oft eher als Schimpfwort, denn als Lösung verwendet. Bevor die Mitdiskutanten zum Arzt gehen, versuchen sie es lieber erst mal drei Tage lang mit irgendwelchen Tees und – Globuli. Ich möchte das nicht.

 

Die Wissenschaftler
Öko-TestDer Kauf eines Schnullers, der richtige Zeitpunkt für das erste Wort, die beste Farbe fürs Kinderzimmer – die Wissenschaftler machen aus allem einen Vorgang. Es werden tausend Tests gelesen, wissenschaftliche Studien gewälzt und für und wider stundenlang abgewogen; bei allem schwingt die Sorge mit, ob man denn fürs Kind auch wirklich das Beste tut und ob alles „normal“ ist. Die Folge: permanente Unsicherheit. Und die Konsequenz für die lesende Umwelt: Im Zweifel ein schlechtes Gewissen, dass man sich nicht genau so einen großen Kopf um die kleinen Dinge des Alltags macht.

Die gleichen Typen triffst du als Vater natürlich auch offline, sie es auf dem Spielplatz oder in der Kita. Dort ist mir die Häufung aber noch nicht so aufgefallen wie in den Ratgeberforen der Nation. Meine Konsequenz: Ich meide sie, wenn es denn irgendwie geht. Stattdessen baue ich auf eine Kinderärztin meines Vertrauens, den Rat erfahrener Großeltern und im Zweifel auch mal auf ein Fachbuch. Eins steht für mich jedoch fest: Von den Ergebnissen eines Suchalgorithmus‘ lasse ich mich nicht mehr verrückt machen!

Lempi

Der Autor Thomas "Lempi" Lemken ist Papa von zwei Töchtern. Das bedeutet: Als einziger von uns lebt er mit gleich drei Frauen unter einem Dach. Neben seiner Funktion als Leithammel, ist er Gründungsmitglied, Stammautor und Lektor unseres Blogs.

11 Antworten

  1. Ein wirklich erfrischender Beitrag! Ich finde, das ist wie in allen Foren (die nicht zwangsläufig etwas mit Kindern zu tun haben müssen). Selbst, wenn man sich vornimmt, sich alles mit einer gewissen Distanz und einer Prise Humor durchzulesen, kommt zwangsläufig ganz schnell der Punkt, an dem man sich und seine Manieren ganz schnell vergessen hat und im Geiste dem ein- oder anderen Kommentator gehörig die Meinung geigen oder an seinen Menschenverstand appelieren möchte. Für diesen Fall würde ich einen Beruhigungstee, 3 Kügelchen Globuli und einen dezenten Schlag vor den Hinterkopf empfehlen…
    Viele Grüße
    Christine

    • Lempi sagt:

      Vielen Dank für die netten Worte! Einen dezenten Schlag vor den Hinterkopf können wir auch immer mal wieder gut vertragen 😉

      • Oh nein, ich merke gerade wieder, wie getippte Worte Verwirrung stiften können. Der dezente Schlag vor den Hinterkopf galt in diesem Fall nicht Ihnen, sondern all Jenen, denen man mal hier und da im Forum begenet und die nach langen Diskussionen um Schnuller, Tropenkrankheiten und Co. nicht mehr wissen, worüber sie eigentlich diskutiert haben. Tut mir leid, wenn Sie mein „Rezept“ persönlich genommen haben!
        Viele Grüße
        Christine

        • Lempi sagt:

          Keine Sorge, das hatte ich schon ganz richtig verstanden 😉
          Ich wollte eher zum Ausdruck bringen, dass wir alle ja auch nicht davor gefeit sind, uns manchmal in etwas zu verrennen.

          Viele Grüße
          Lempi

  2. SaKo sagt:

    Hallo ihr 4!
    Ich habe euch für den Liebster-Award nominiert und freue mich, wenn ihr mitmacht.
    http://verzueckend.blogspot.de/2014/04/nominiert.html
    Alles Liebe und schöne Ostertage,
    SaKo

  3. Anna sagt:

    Gut, dass Du es mal jemand ausspricht! Wenn man als Mama sagt, dass man nicht so auf Globuli steht wird man ja schief angeguckt…

  1. 24. April 2014

    […] Es ist noch nicht ganz so lange her, dass meine Tochter zur Welt kam. Von der ersten Sekunde an hatte Sie ebenso viele Haare auf dem Kopf wie Tränen in den Augen. Ja, es ist richtig. Wir hatten ein so genanntes Schreikind. Und ja, ich habe viel gegoogelt, was Lempi stets kritisch sieht. […]

  2. 18. Juli 2014

    […] paar beruhigende Worte später habe ich mich des Themas in Form einer Internet-Recherche einmal ohne Vorbehalte angenommen. Der Hammer, das Netz ist voll davon. Am Erschreckendsten fand […]

  3. 11. August 2014

    […] ich in der Vorhölle der Mütter-Communities zwar gesehen habe, dass auch viele andere Eltern die Farben-Frage umtreibt, im Netz aber auf Anhieb […]

  4. 15. September 2015

    […] noch nie etwas gehört hatte, gemein: Sie sind nicht behandelbar. Man muss warten. Lange warten. Dr. Google hat mir das gesteckt. Wär Google ein alter Klassenkamerad, er wüsste nicht wer ich bin. Er wäre […]

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