Warum Judith stolz auf seinen Vater sein kann

Bevor ich auf das Buch „Wenn‘ s ein Junge wird, nenne ich ihn Judith“, von Christian Hanne-Herkommer eingehe, will ich etwas klar stellen. Wer hier einen Reich Ranicki-Veriss erwartet, der sollte den Preis nicht annehmen. Zu sehr mag ich diesen sarkastisch-ironischen Kautz, der es einfach nicht schafft, auch nur eine Sekunde ernsthaft zu bleiben. Diese Eigenschaft kommt mir ganz entgegen. Dinge ins Lächerliche zu ziehen, um ernste Diskurse zu umgehen, gehört auch zu meiner Kernkompetenz. Ich habe Christian zwar nur ein paar Mal gesehen, aber es kommt mir vor, als kennen wir uns schon eine Ewigkeit. Das liegt wohl auch daran, dass ich Stammleser seinen Blogs Familienbetrieb bin. Ständig versuchen wir, uns mit unseren Sprüchen zu toppen. Ein Männerding. Den Wettbewerb um das beste Gagfeuerwerk gewinnt aber meistens er. Zu schwarz sein Humor, zu dunkel seine Seele aus verbranntem Käsekuchen. Wen wundert’s, das Buch schlägt genau in diese Kerbe. Seine Gabe, Geschichten zu erzählen, kann ich mir stundenlang antun. Aus diesem Grund mag ich sein Erstlingswerk.

Wer ist dieser blasse dünne Mann Christian Hanne?

Da das Buch autobiographisch ist, kommt man nicht drum herum, sich der Person Hanne genauer anzunehmen. Seine innere Distanz und Selbstreflexion, die vor Bescheidenheit strotzt und jede Überheblichkeit ausmerzt, ist amüsant, witzig und identitätsstiftend zugleich.

Fast jedes der 12 Kapitel auf 120 Seiten birgt Schätze der Erinnerung an die Zeit als werdender Vater. Der Autor schafft es durch seine seinfeldsche‘ Beobachtungsgabe Erinnerung hervorzukramen, die stets im geistig Verborgenen ihr Dasein fristen.

Sicher, ich habe viel gelacht, dennoch drängt sich der Gedanke auf, dass ein gemeinsames Leben mit dem gebürtigen Mannheimer ohne Akzent und Xavier-Sonnenbrille ein schwieriges Unterfangen sein müsste. Wie muss das wohl sein, mit so einem Zyniker tagtäglich wichtige Dinge zu besprechen? Die Antwort auf diese Frage findet man zwischen den Zeilen, wenn seine Frau auftaucht. Die Art und Weise, wie Christian sie beschreibt hat weniger mit Walt Disney-Idylle zu tun, denn mit Ehrlichkeit, Witz und Geborgenheit. Er musste keine Umschreibungen finden, um seiner Frau zu imponieren, noch nutzt er sie als Plakatierung, um seine warme Seite zu promoten. Die Konflikte werdender Eltern, wie Wohnungssuche, Namensgebung, Baby-Markt-Besuche undundund beschreibt der Autor so pointiert, dass man den Eindruck bekommt, dass ihre Beziehung auf einem starken gegenseitigen Urvertrauen basiert. Wenn er so schreibt wie er denkt (und er denkt anscheinend permanent), drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Zwei wirklich sehr lieben müssen. Wobei er „lieben“ nie in den Mund nehmen würde. Zu gefühlsduselig.

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Christian mit seinem Alter Ego auf dem Schoß. Foto: Stefanie Fiebrig

Achtung Spoiler: Kapitel 7 – Der Sommer der Liebe

Was mich aber nachhaltig an diesem Buch ärgert ist, dass wir nie erfahren werden, wer diese Dampframmler-Nachbarn waren. Sehr detailgetreu beschreibt er die Sexpraktiken eines Nachbarn, die den Autor und seine schwangere Frau täglich daran erinnerten, dass es noch etwas anderes gibt als warten auf die Niederkunft. Die mäßige Detektivarbeit nach den Hauptdarstellern dieser „Bei den Nachbarn ist der Teufel los“-Episode, war aber nicht von Erfolg gekrönt. Die nächtlichen Stöhnattacken, das lautstarke Ejakulieren bei offenem Fenster – erst macht uns der Autor heiß und dann rückt er nicht mit Namen raus. Vielleicht war es ja Robert Polsen oder Tyler Durden, den er zu hören glaubte? Es ist einfach schade, dass wir nie erfahren werden, welcher Dauerständer bis zu sieben Mal an einem Abend eine Frau zum Höhepunkt bringen kann. Da halte ich es wie der Film The Big Fish: Die Story hätte er etwas ausschmücken können. Ich hatte meine Phantasie schon angekurbelt und an eine Oberstudienrätin gedacht, die einem Schüler der Oberstufe Nachhilfe im Kurs „Stechastik“ gibt.

Apropos Mathe: Auffällig ist, dass Christian viele „Freunde“ hat, die ihn ausgiebig über Bondage und Swinger-Clubs aufklären. Er war nach eigenen Angaben nie in so einem Etablissement. Das will ich ihm glauben, schaffe es aber nicht. Ich sehe ihn schon täglich seinen Drahtesel an einer roten Laterne abschließen. Das ist mein feuchter Traum.

To be continued…

Man kann ja viel vom blassen dünnen Mann behauptet, aber dumm ist er nicht und planen kann er auch. Das Buch startet mit dem Akt der Zeugung und hört mit dem Elternbett, Familienbesuch, unnötigen Willkommensgeschenken und Wickel-Skills auf. Insofern ist das Buch perfekt geeignet für werdende und junge Eltern. Sie werden sich oft wiederfinden und innerlich schmunzeln. Das Buch ist auch nicht viel länger als einer seiner Blogbeiträge (ja, sie sind sehr lang. Ich habe mir beim scrollen schon mal einen Krampf geholt). Wir alle wissen jedoch, dass der Autor ein Routinier in Sachen Elternschaft ist. Seine Kinder (er hat jetzt zwei) machen schon lange keine Wickel-Selfies mehr (sie nutzen jetzt Snapchat). Es wäre also gelacht, wenn keine Fortsetzung folgen würde. Der Seitenstraßen-Verlag wäre auf jeden Fall gut beraten.

Last but not least: Die Schenkung

Wir verschenken unsere Ausgabe an einen unser Leser/Innen. Leider müssen wir das Buch mit den Eselsohren und Markierungen verlosen. Ich Vollhonk habe im falschen Exemplar meine Hasstiraden ergänzt. Also, wenn ihr es dennoch wollt, bitte mit dem rammsteinischen Lockruf „ICH WILL“ unter diesem Post oder auf Facebook kommentieren. Das Originale mit Signatur behalte ich. Im Herzen.

Am Freitag, den 16.9., benachrichtigen wir den Gewinner.

christian-hanne_buch

Ich hoffe, es hat ihm geschmeckt.

 

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

33 Antworten

  1. Carola sagt:

    ICH WILL….aber sowas von. Muss jetzt endlich mal dieses Buch haben!
    LG Carola

  2. Steffi sagt:

    Ja „ICH WILL“ …Eigentlich sollte ich das eher meinem Mann bei einer gewissen Frage als Antwort geben

  3. Juliana sagt:

    ICH WILL 🙂

  4. Kerstin sagt:

    #ichwill
    Ich muss doch unbedingt wissen, was mit den kopulierenden Nachbarn los war…

    Und ob Judith wirklich Judith heißt.

    Kerstin

  5. Juliane V. sagt:

    Ich will!

  6. Corina sagt:

    Ich möchte bitte will .

  7. ICH WILL auch mit in den Topf zum gewinnen. Ausschweifende Begründungen sind schwer vorzubringen. Da ich aber sowohl „Ich bin dein Vater“ als auch „Familienbetrieb“ gern lese, wäre die Verschränkung von „Judith“ mit „Vater-Randnotizen“ ein köstliches Vergnügen für mich! Danke

  8. Jela sagt:

    Ich will, büdde büdde

  9. Lieber Janni, Tränen der Rührung laufen mir beim Lesen deines Jannigramms über die Wangen. Danke, danke, danke. Dein ergebener Freund Christian

    P.S.: ICH WEISS DOCH AUCH NICHT, WER DA DAMALS GEVÖGELT HAT!

  10. Doris Leeb sagt:

    Ich will!

  11. Christian Helmus sagt:

    „ICH WILL“

  12. Jasper sagt:

    Ich will! 😉

  13. [eigen]art sagt:

    Jaaaa, ich will! 🙂

    LG, Tamara

  14. Franzoli sagt:

    Ick will ooch, gern! Das Buch klingt spannend und seelenverwand. Letzteres konnte ich leider nicht für meine Ex behaupten. 🙁 Das Buch ist fürs nächste Leben also. 🙂

  15. Judith sagt:

    ICH WILL.
    Und ich heiße sogar Judith. Haben meine Eltern rund sechs Monate vor meiner Geburt beschlossen. Als meine Oma fragte „Und wenn’s ein Junge wird?“, sagte meine Mutter: „Dann zahlen wir ihm den Therapeuten.“

  16. Ron sagt:

    Sehr gern: Ich will.

  17. Ralph sagt:

    ICH WILL auch!

  18. Christine sagt:

    Ich will. Weil mein Freund sein Kind so gern Judith nennen wollte und sich bei den beiden Jungs einfach nicht getraut hat.

  19. Sonja Brandstetter sagt:

    Iiiich willlll

  20. SilkeAusL sagt:

    Ja, ich will! Trübsal blasen kann man auch wann anders!
    LG Silke

  21. Bentje Bellesari sagt:

    Icke Will !!!
    Würde mich sehr über ein mit Kommentaren versehenes Buch freuen, vielleicht kann man so in zwei Zyniker-Seelen gleichzeitig eintauchen 🙂

    LG eine Zynikerin in Ausbildung
    Bellesari

  22. Yves sagt:

    Es heißt „ihren“, nicht „seinen“. Ist doch weiblich.

  23. Karen sagt:

    ICH WILL! 😉

  24. Babyvater sagt:

    Ach Rike, du gibst mir das Selbstbewusstsein, das mir die Jungs täglich nehmen.

  25. Rike sagt:

    Wunderbar! Christians Seele und sein Erstgeborenes wurden nirgendwo tiefenpsychologischer und treffsicherer betrachtet. Chapeau! Marcel RR würde vor Freude weinen! Geliked, geküsst, geteilt. Für immer die eure, Rike

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