Der letzte Tarnkappen-Vater

Schaut man in unsere Eltern/Väter-Bubble im Netz, sind es immer die gleichen Postings, die viral gehen. Es sind häufig stereotypische Formate, die Väter als Familienoberhäupter porträtieren, die nebenberuflich als Personenschützer bei Black Rock tätig sind: Die Super-Daddys, die von der Couch stürzende Kinder im letzten Moment auffangen oder ihren Nachwuchs vor heranrasenden Gefährten aller Art retten. Oder es wird sich über unseren Stand lustig gemacht. Väter sind als Marketing-Zieldgruppe die Witzfiguren, die Funny Leaders innerhalb einer Familie. Unter Eltern macht gerade ein Artikel aus dem WSJ (Paywall) die Runde. Camouflage-Wickeltaschen und Babytragen im Military-Look für richtige Männer, die die Schnauze voll haben von der väterlichen Verweiblichung. Was das Fashion Statement Wickeltasche mit der Entmännlichung des Vaters zu tun hat, will ich hier aufgreifen.

Mohammed Bruce Lee ist mein Vater

Es gibt sie: Väter, die sich in ihrer Vaterschaft entmännlicht und bevormundet fühlen. Sie müssen durchgreifen. Sowohl in der Erziehung als auch beim Wickeln. Jeder soll mitbekommen, wie stark sie sind. Da kommen Produkte in militärischen Chic gerade recht: Die Babytragen in Camouflage sollen aber weniger den Kopf der Babys, sondern eher die Männlichkeit des Vaters schützen. An und für sich kann ja jeder kaufen was er will. Da bin ich völlig emotionslos. Als Kommunikationsberater interessieren mich aber solche Trends. Insbesondere, wenn es um die Zielgruppe Väter geht. Immer wieder gibt es Unternehmen und Brands, die über das Ziel hinausschießen. Ein Beispiel gefällig? Schaut euch mal die Brand „Tactical Baby Gear“ an. Noch Fragen? Gut, dann klickt auch auf den offiziellen Produktfilm:

Ist das nicht irre?? Eigentlich ein super Comedystück. Mega witzig, bis man erkennt, dass es Männer gibt, die so etwas käuflich erwerben – oder noch schlimmer: Mütter die ihren toughen Männern diesen Sockenersatz unterm Weihnachtsbaum stellen. Heilige Granate!

Reaktionäre Väter als Marketing-Zielgruppe

Keine Frage: Wickeltaschen sind häufig mega ungeil. Ich wollte das Monstrum meiner Frau auch nie rumkutschieren. Ergo: Weil immer mehr Männer Familienarbeit leisten, wird auch der Markt für Unisex-Wickeltaschen und -tragen größer und somit interessant für Marken. Tactical Baby Gear macht sich das gesteigerte väterliche Engagement zu Nutze und erfindet eine völlig neue Zielgruppe. „[S]omething completely new to a market full of guys sick of diaper bag emasculation.“  Esmasculation? Gibt es hier Väter, die in ihrer Männlichkeit eingeschränkt werden? Kauft bitte diese Wickeltasche „to handle some serious doodie.“ Die Kampagne ist smart und ekelhaft zugleich. Dieser Tweet bringt es  auf den Punkt:

Die Zielgruppe des amerikanischen Unternehmens hat den Vater mit Rollback-Attitude im Visier. Ein Tendenz, die (leider) in unseren Zeitgeist passt: Die Besinnung auf alte tradierte Werte, wie Heimatverbundenheit und konservative Familienbilder. Also zusammengefasst: Typen, wie Jens Spahn in hetero. Sie wollen den linksversifften Pädagogen-Daddy in die Schranken weisen. Hier in Deutschland tritt die AfD sehr prominent für eine Rückkehr zur traditionellen Familie ein. In den USA ist diese Bewegung sehr viel stärker und hat mit der Wahl von Trump vorerst seinen Höhepunkt erreicht. Nur logisch, dass diese Stimmung auch im Einzelhandel Einkehr findet.

Jahrhundertelang war ein Vater eine gefürchtete Respektsperson, jetzt ist der Vater auch ein harmloser Typ mit Dad Bod, kurzen Hosen und ohne Rollenbild. Vielen ist das gesteigerte Engagement ein Dorn im Auge. Die Hersteller militaristischer Babyprodukte machen sich diese Einstellung sehr gut zu eigen. Eine Wickeltasche für den Mann zu kreieren, ist an und für sich eine gute Entwicklung. So zeigt es doch, dass auch konservative Väter den Alltag mit ihren Kindern verbringen. Was spricht gegen ein Produkt für diese Zielgruppe? Hat eine Wickeltasche das Zeug für eine ideologische Grundsatzdiskussion?

Grundsätzlich müssen wir Väter eine eigene Legacy aufbauen. Ich für für meinen Teil habe verstanden und eine Wickeltasche gefunden, die praktisch, gut und ohne Camouflage auskommt. Fühle ich mich dadurch entmännlicht? Keinesfalls, ohne Tarn finde ich sie sogar besser im Dickicht des Alltags.

Entmännlichte Grüße,
euer Babyvater

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Inspiration für den Artikel: Die Colbert Late-Show

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LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

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