APP ins Bett! – Das teuerste Spielzeug aller Zeiten

Ach was ist das schön, wenn Eltern Ihr quängelndes Kind im Restaurant mit Smartphones und Tablets bei Laune halten. Man kann förmlich in den Gesichtern der anderen Gäste ablesen, wie entwürdigend sie es finden. Diese „Das ist nichts für Kinder“-Attitude bilde ich mir aber bestimmt auch nur ein. Oder doch nicht? Keine Ahnung. Ich spreche nicht jeden unbekannten Menschen in meiner Umgebung auf seinen Gemütszustand an.

Ich oute mich: Ja, mein Kind, 34 Monate, kann ein Tablet bedienen. Ziemlich gut sogar. Man könnte glatt einen TV-Spot mit ihr produzieren, um zu zeigen, wie kinderleicht die Bedienung ist. Natürlich wäre es mir lieber, wenn die Kleine nur mit Holzspielzeug und Eisenbahnen spielen würde (was sie übrigens auch tut). Allein schon deswegen, weil ich dann selber mal daddeln könnte. Man kann darüber streiten, ob es gut fürs Kind ist. Die digitale Verrohung sollte schließlich später anfangen. Wenn möglich nie. Aber wie realistisch ist das denn?

Was mich beruhigt: Experten lehnen den Trend nicht kategorisch ab, fordern aber Ausgewogenheit im Spiel der Kinder. Natürlich gibt es genug Kritiker. Bestimmt auch unter dem einen oder anderen Leser hier. Diesen Kritikern spricht Autor und Hirnforscher Manfreg Spitzer aus der Seele. Er ist wohl der radikalste Gegner von Kinder-Apps. Das gesamte Internet ist für ihn nichts als eine weitere unkalkulierbare Parallelwelt mit vielen Risiken. Nach seiner Auffassung sollten Kinder erst „zwischen 15 und 18 Jahren“ ein Tablet in die Hände bekommen. Seine Kritik geht weit über die Tabletnutzung hinaus. Sein Buch „Digitale Demenz“ strotzt nur so vor polarisierenden Aussagen. Spitzers applose Kinder sind dann diejenigen, die jede freie Minute bei Freunden abhängen und permanent ins Retina-Display starren. Auch nicht gut. Das moderne Lernmittel, die richtig genutzt werden, auch sehr sinnvoll für die Medienkompetenz unserer Kleinen sein können, lässt er komplett außen vor.

Andere Bildungsexperten sehen eine riesen Chance im Einsatz von Tablets. So wird heiß darüber diskutiert Tablets und PCs in Kitas einzusetzen. Für Bildungsexperten Gerhard Stranz ist es für Kitas unabdingbar, den Prozess der fortschreitenden Digitalisierung aktiv mitzugestalten, weil die neuen Medien längst den Alltag der Kinder erreicht hätten. Es gäbe keinen Grund, das Interesse der Kinder an Technologie zu verteufeln, nur weil es vielleicht unserer traditionellen Vorstellung von einer guten Kindheit widerspricht.

Die Kritiker haben es beim Tablet tatsächlich schwerer als beim Fernseher. Der „Zombie-Effekt“ – wie vor der Glotze – bleibt schließlich aus. Gute Spiele-Apps sind letztendlich auf Interaktivität ausgerichtet. Ein Bilder-Memory oder Wimmelbuch kann auch auf dem iPad nützlich sein. Es schult die Hand-Augen-Koordination der Kinder und schärft ihre Wahrnehmung. Kinder sitzen nicht mehr regungslos vor einem Kasten: Der Bildschirm lässt sich berühren, drehen, schütteln und ansabbbern (letzteres ist bei uns schon mehrmals vorgekommen). Klar, wenn man die teuersten Spielzeuge aller Zeiten nur zum Abspielen von YouTube-Filmen nutzt, dann ist der Effekt der gleiche wie vor der Flimmerkiste. Entscheidend ist, wie beim Fernsehen auch, dass Eltern iPads und Konsorten nicht als Babysitter-Ersatz benutzen. Sie sollten sinnvoll, gezielt und so eingesetzt werden, dass das Gerät die Familie nicht in Besitz nimmt.

Ich glaube, dass Tablet-Computer für Kinder nicht das Buch, sondern den Fernseher ersetzen – und das wäre doch ein Fortschritt. Journalist Stuart Dredge.

Wir haben uns dazu entschlossen, meine Tochter spielen zu lassen. Aber alles hat seine Grenzen. Daher haben wir Regeln aufgestellt:

Unsere App-Regeln:

  • Testing: Wir probieren jede App erst selbst aus.
  • Schlichtes Interface: Die App muss graphisch klar aufgebaut und mit einer leichten Spielmechanik ausgestattet sein. Renn-, Sport- und Actionsspiele sind zum jetzigen Zeitpunkt tabu.
  • Gemeinsam spielen: Ich lasse die Kleine nicht allein, sondern entdecke mit Ihr zusammen, was die App zu bieten hat.
  • Monitoring: Ich beobachte die Kleine: Wird es sehr still, ist es sehr auffällig. Sie ist nie leise. Leise = Gefahr!
  • Zeit: Bei uns zu Hause darf Sie Abends 30 Minuten mit der Gerät [sic!] spielen. Das ist der Deal. Länger ist nicht. Sie meckert zwar noch manchmal, aber im Großen und Ganzen schaltet sie sogar selber das Gerät ab. Was ich ja toll finde. Das ist ja soooo erwachsen! 🙂

Immer wenn ich denke, dass ich auf dem rechten Pfad bin, lese ich jedoch Meldungen, die mich erschrecken lassen. So vernahm ich neulich, dass deutsche Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren besser Computer spielen oder ein Smartphone bedienen können als Schuhe binden oder selbständig schwimmen. Das hat eine Umfrage unter mehr als 6.000 Müttern aus zehn Ländern gezeigt. Das bringt mich zwar zum Grübeln, andererseits ist rumswishen auch viel einfacher als Schwimmen, oder? Solange mein Kind nicht ausschließlich zockt, sehe ich das entspannt. Oder irre ich mich da?

Ich bin wirklich interessiert an Euren Ansätzen. Wie geht Ihr mit den Neuen Medien um? Was für Regel habt Ihr aufgestellt? Oder lässt Ihr es einfach laufen? Ich freue mich auf Eure Kommentare hier und auf Facebook.

LeJeck

Der Autor Janni "Babyvater" Orfanidis gehört zu unserem Stammpersonal und ist einer der Gründer von "Ich Bin Dein Vater". Der gebürtige Kölner ist Ehemann, Kommunikationsberater und Vater von zwei Kindern (2011|2016). Aber ansonsten geht es ihm eigentlich ganz gut.

11 Antworten

  1. Nessa sagt:

    Ich habe Dinge wie Tablet, Smartphone, Konsole & Co. ganz bewusst bis zum Alter von 5 Jahren von meinen Kindern fern gehalten. Seit der Knirps 6 ist, spielen wir etwa einmal im Monat gemeinsam Wii. Manchmal spielen die Kinder auch alleine, wenn das Wetter schlecht ist. Da sind es dann schon mal 2 Stunden am Stück. Das ist mir dann hupe. Wichtig ist mir, dass meine Kinder immer noch überwiegend draußen und/oder mit ihren Freunden spielen. Der Knirps ist weitaus mehr aufs Tablet fixiert, als das Fräulein. Regel ist hier: Pro Tag 20 Minuten. Will er mehr, muss er draußen spielen. Je nach Wetter und Tageslauf darf er für 2-3 Stunden, die er draußen gespielt hat, das Tablet eine weitere halbe Stunde haben. Nett fände ich, wenn es ein Zeitkonto oder sowas als App gäbe. Leider habe ich da bisher nichts brauchbares für Android gefunden.

    Ich finde die Thesen von Manfred Spitzer aber gar nicht so wahnsinnig falsch, aber in meinen Augen macht es eben die Mischung.
    Meine Kinder (die Große ist fast 8, der Kurze 6) waren noch nie selbst im Internet. Sie haben mal gefragt, ob sie sich Seite XYZ mal ansehen dürften. Haben wir gemacht. Kurz einen Blick drauf geworfen, als langweilig empfunden und damit war das erledigt. Alle paar Monate gucken wir uns mal ein Youtube Video an. Hin und wieder recherchieren wir was bei Wikipedia gemeinsam, wenn ich mal wieder keine Antwort weiß. Aber viel mehr ist es einfach noch nicht geworden. Und warum sollte es das, wenn kein Interesse da ist?

    Allerdings sehe ich den Trend, dass immer jüngere Kinder mit einem Smartphone rumlaufen. In der Klasse meiner Tochter haben bereits die Hälfte der Kinder ein Smartphone und 3/4 ein Handy. Kommt für mich in absehbarer Zeit nicht in Frage. Meins mal benutzen, okay, aber ein eigenes gibt es nicht. Wofür sollten sie es auch brauchen?

    Ach ich könnte da noch viel mehr drüber schreiben 😉

    LG Nessa

  2. Kirsten sagt:

    Das mit dem Schuhebinden-Können muss man im Kontext des Klettverschlusses sehen. Während das in meiner Kindheit (bin ich so alt? Anscheinend) die absolute Ausnahme ist, kommen Kinder heutzutage oft erst mit Schnürsenkeln in Berührung, wenn sie selber Chucks haben wollen.

    • Nessa sagt:

      Das ist aber in meinen Augen Bequemlichkeit der Eltern. „Mein Kind soll sich selbstständig anziehen. Schleife binden frustriert ihn/sie nur“.
      Sollen sie es ihnen halt beibringen.

  3. Uli sagt:

    Ich sehe es auch so, dass ich unsere Kleine (14 Monate) gar nicht dauerhaft von Tablet und Co. fern halten kann. Wir haben allein zwei Smartphones, Tablets und Laptops zuhause. Wie soll ich ernsthaft argumentieren, dass die nur etwas für Erwachsene sind? Solche strikten Verbote spare ich mir eher für wirklich gefährliche Dinge auf (Alkohol, Putzmittel, große Messer etc.).

    Natürlich braucht man Regeln im Umgang mit Technik, so wie jede Generation. Ich erinnere mich noch an wilde Diskussionen als die „Teletubbies“ damals auftauchten, ob kleine Kinder das schon kucken dürfen usw. Heute ist der Fernseher größtenteils egal geworden und man schreibt über Tablets und Smartphones als das neue Teufelszeug. Dabei verklären viele auch die eigene Kindheit, als sei „früher“ alles so viel besser gewesen.

    Kinder können doch einfach beides lernen, den (oft trivialen) Umgang mit Technik und danach Purzelbaum und Co. Und das beispielsweise immer weniger Kinder schwimmen können, hängt wohl eher an Sparmaßnahmen der Kommunen und im Bildungssektor. Wenn das lokale Hallenbad schließen muss, liegt das nicht an „Digitaler Demenz“.

  4. Vadder sagt:

    Mangels eines Tablets kann unser 18 Monate alter Sohn das noch nicht. Aber ich hätte auch kein Problem damit wenn er es könnte. Er kann unsere Laptops zuklappen und mein Smartphone entsperren. Und er weiss dass man es sich ans Ohr hält und plappert. Alles andere kommt von alleine, ich lass das einfach laufen…

  5. Kai sagt:

    Bei mir, kein Nintendo etc. Computer mit 5 gespielt, Wii mit 7, iPad mit 9 inkl. Telefon nur für Ihn …

    Er spielt gerne, aber eher selten, sonst würden die Regeln verstärkt…

  6. Anonymous sagt:

    Die Frage ist doch, ob Kinder mit 2 Jahren schon unbedingt ein Tablet / Smartphone etc. bedienen können müssen oder ob das nicht noch ein wenig Zeit hat.

  7. Hanna sagt:

    In der heutigen Zeit kann man die Kinder davon gar nicht fern halten. In meiner Familie ist es sogar so, dass ein Elternpaar für ihre 3 Kinder eigene iPads angeschafft haben (alle die alten der ersten Generation). Mag auf den ersten „Blick“ arg viel sein, aber wenn man mal genauer darüber nachdenkt, eigentlich auch schlau. Denn so gehen sie den Streits aus dem Weg, wenn der eine mit dem GameBoy das eine spiel Spielt und der andere auch will. Alle iPads haben die gleichen Spiele drauf, weil alle mit einem Apple-Account verwendet werden. Zeitlich begrenzt ist die Nutzung ebenfalls. Was will man dann mehr…

    Ich muss sogar sagen – und ja, ich bin Technik-Fan, was man in meinem Beruf als Programmier zwangsläufig ist -, dass ich das gut finde. Mein empfinden ist, dass Kinder schon mit der zeitgemäßen Technik aufwachsen sollten. So hält man ihn auch spätere Berufe nicht vor. Und es gibt so viele tolle Apps für die Tablets, bei denen die so viel lernen können. Das finde ich klasse.

    Dazu kann ich noch einwerfen: Als ich noch Kind war, da haben sich alle aufgeregt, als mein Papa mit uns vor den Computer gegangen ist und da mit uns gespielt hat. Für mich ist das alles wieder das gleiche. Mal wieder eine Verschiebung der gleichen Vorurteile in die heutige Zeit.

  1. 14. September 2014

    […] Für und Wieder von Technik in Kinderhänden debattieren, wie auch schon die Kollegen von “Ich bin dein Vater” erkannt haben. Doch eigentlich gibt es keinen Weg an der Digitalisierung vorbei, dies […]

  2. 12. Februar 2016

    […] Aber nicht nur für uns Erwachsene. Auch für Kinder ist das Internet Alltag. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) sind gut die Hälfte der Achtjährigen (55 Prozent) in Deutschland online, 37 Prozent sogar mehrfach in der Woche oder täglich. Auch bei den Sechsjährigen ist bereits fast ein Drittel (28 Prozent) zum Teil regelmäßig im Netz unterwegs. Früher haben wir unser Spielzeug auseinandergenommen und erforscht, was dahinter steckt. Aber wie dechiffrieren wir den Code, mit dem wir täglich unser Leben organisieren? Und müssen wir das überhaupt? Wenn es nach dem Psychologen, Buchautor und Hochschullehrer Manfred Spitzer gehen würde, müssten wir umgehend mit dem Teufelszeug aufhören. In seinem Bestseller „Digitale Demenz“ poltert er, dass Computer und Smartphones Kinder dumm machen. Diese Kritik greift aber völlig ins Leere. Es geht nicht darum, ob wir Cyberkrank werden. Es geht darum digitale Kompetenz aufzubauen. […]

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